China 18.02. – 24.02.2005
Sowohl in Deutschland als auch hier gibt es Schneeberge wie noch nie, trotzdem ist die Menge ganz anders. Als ich am Samstag aufwachte, hat es hier tatsächlich geschneit, und das war nicht nur ein Schneeregen, sondern echter Schnee. Auf dem Boden ist zwar nichts liegen geblieben, auf Autos dagegen schon. Am Sonntag war ich dann in einem Park in der Stadt. Ich weiß ja noch nicht, wie die das fertiggebracht haben, aber an eine Stelle war ein echter Schneehaufen. Die Bilder habe ich auch den Kollegen hier gezeigt. Die waren wirklich beeindruckt. Es soll drei Jahre her sein, dass es hier das letzte Mal geschneit hat. Chengdu ist schließlich etwa auf der Breite von Nordafrika. Am Mittwoch lag auf einer Rasenfläche vor der Uni sogar Raureif. Das habe ich auch noch nie gesehen. Entsprechend kalt waren dann auch die Nächte. Nun bin ich ja so im Bett warm angezogen, aber trotz Socken habe ich sehr lange sehr kalte Füße. – Heute ist es dagegen wirklich warm geworden. Im Haus ist es zwar noch frisch, draußen habe ich aber meine Jacke aufgemacht und habe dann im Büro das Fenster aufgemacht. Ich glaube immer noch, dass heute früh das Fenster von meiner Wohnung von außen beschlagen war. Das Wetter hier ist schon eigenartig.
Ich hoffe ja, dass meine Hände dann auch wieder besser werden. So lange ich sie im Institut aber nur mit kaltem Wasser waschen und nicht recht abtrocknen kann, schaut’s da nicht so gut aus. So übel wie dieses Jahr hat die Haut noch nie ausgesehen. Eine steroidhaltige Fettcreme habe ich mir zum Glück extra noch gekauft, die kann da aber auch nicht viel helfen.
Wie ich am Samstag im Institut war und die e-Mails aufgearbeitet habe, kam eine Studentin und hat sich mit mir unterhalten. Sie musste dann in die Stadt, etwas erledigen und wollte wissen, ob ich mitkomme. Da habe ich habe ich leichtfertig ja gesagt. Ich habe gedacht, ich muß ja am Samstag nicht unbedingt im Institut sein. Dann hat das Mädchen aber Kleidung kaufen wollen, ist von einem Geschäft zum anderen gegangen, hat verschiedenes anprobiert und mich immer wieder gefragt „Do you think it looks beautiful?“ Ich habe mir Monis Kommentar vom Hosenkauf damals nur mit Mühe verkniffen. Gekauft hat sie dann aber nichts. Zum Trost hat sie mir aber versprochen, sie kommt auch mit, wenn ich dann ein Fahrrad aussuche. Außerdem, und das ist natürlich ein echtes Argument, habe ich für den Sommer auch eine Einladung nach Peking.
Am Sonntag war das Wetter dann schön und ich war in Dufu’s Thatched Cottage. Dufu war ein chinesischer Dichter, angeblich der größte aller Zeiten. Er hat von 712 bis 770 gelebt und ist verhungert, weil er keine Nahrung von der Regierung angenommen hat. Wo ich war, ist der Park, in dem er gelebt hat. Es ist ein riesengroßes, wunderschönes Gelände. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass jemand, dem das gehört, verhungert. Da gab es nicht nur die Schneehaufen, sondern es hat auch schon recht üppig geblüht. Ein bisschen aufpassen musste man aber schon, es waren weder alle Blumen, noch jeder Schnee echt. Auch in dem Park gab es einige Händler. Zwei Päckchen Ansichtskarten habe ich gekauft, Gemälde von Dufu und Illustration seiner Gedichte. Ansichtskarten sind hier im allgemeinen ja nicht üblich, da ist’s gut, wenn ich mal welche habe. Außerdem habe ich mir nun so eine Tier aus Zuckerguß gekauft, wie ich es schon eine Woche vorher in dem anderen Park gesehen habe. Es wurde extra für mich nach meinen Wünschen gemacht. Da bin ich aber beim Preis geneppt worden. Der Mann hat für jemand vor mir schon so ein Tier geblasen, da habe ich gesehen, dass das 5 Yuan (45cent) gekostet hat. Für meinen Gockel hätte er dann 20 Yuan kassieren wollen! Für das Geld kann man recht fein essen gehen. Letztlich habe ich 10 Yuan gezahlt, immer noch zu viel. Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit musste ich es bald essen, schmecken tut es aber nicht besonders. Da habe ich so einen knallroten Zuckerosterhasen, oder einen Karamell-Hasen schon viel geschmackvoller in Erinnerung.
Gestern hat mich Huang Nan gefragt, ob ich wisse, was da für ein Datum ist. Da war ich zeitlich natürlich gar nicht orientiert, mein Computer hat mir aber gesagt, dass der 23. Februar war. Damit war er aber nicht zufrieden. Es war der 15. Januar des Chinesischen Kalenders. Das ist noch einmal ein ähnliches Fest, wie das Neujahrsfest. Man geht mit der Familie gut essen, traditionell gibt es da irgendwelche süß gefüllten kleinen Kügelchen in einer Brühe. Leider hat er selbst keine Zeit, er hat aber einen Studenten beauftragt, mit mir in die Stadt zu fahren. Wir haben da so etwas gegessen, danach gab es bei dem alten Tempel, von dem ich das letzte Mal berichtet habe eine Vorstellung. Am Anfang sah da noch nach einer religiösen Zeremonie aus. Danach kam eine Tee-Zeremonie. Die beiden Mönche haben nicht nur mit sehr viel Bedacht jeder seien vier Schälchen erst mit heißem Wasser gefüllt, geschwenkt, das Wasser wieder ausgeschüttet, Tee in die Schälchen getan, wieder heißes Wasser aufgegossen, Schälchen zugedeckt, dann mit dem Deckel schwimmende Teeblätter zur Seite geschoben. Sie haben auch beide absolut synchron gearbeitet, ohne dass sie sich durch Blicke koordiniert haben, oder dass eine Musik ein Zeitgeber gewesen wäre. Natürlich weiß ich nicht, ob nicht irgendwo ein Spiegel war.
Das alles, auch manche Musik und manche Tänze sind für ein Frühlingsfest und den Tempel ja schon recht passend. Manches war dann schon sehr modern oder nur noch artistisch. Eine recht hübsche Ballett-Nummer war auch dabei. Da sind aber so sehr die Röckchen geflogen, dass bestimmt auch Toulouse-Lautrec seine Freude daran gehabt hätte – und das alles vor der ehrwürdigen Buddha-Statue… Ein Maler hat auf der Bühne auch ein Bild gemalt und da eine rechte Show gemacht. Wir waren alle gespannt, was rauskommt. Das Ergebnis war dann auch mehr Show als Kunst.
Sehr gut sind dagegen immer die Darstellungen der tausendarmigen Göttin. Im chinesischen Buddhismus gibt es j a so eine, nicht nur in Indien (ich habe vor einem Jahr ja gelernt, dort haben die Götter alle vier Arme, weil zwei Arme hat ja ein Mensch). Bisher habe ich diese Vorstellungen nur ein paar Mal in Fernsehen gesehen. Da hat es mir in echt nun erst recht gut gefallen. Es stehen einfach mehrere Tänzerinnen hintereinander und strecken ihre Arme unterschiedlich aus.
Die ganze Vorstellung hat über zwei Stunden ohne Pause gedauert. Das war schon ein sehr eindrucksvolles Programm.
Wie beim Neujahrsfest gab es auch letzte Nacht wieder viele Kracher.
In diesem Semester muß ich auch eine richtige Vorlesung mit zwei Wochenstunden halten. Heute war die erste Doppelstunde. Es sind schon recht fortgeschrittene Studenten im extra Studiengang Biomaterialien. Das Thema ist Biomaterial-Testung. Das ist natürlich ein recht eigenartiges Thema. Biomaterialien und Testung gibt es ja eigentlich nur im Zusammenhang mit der zugehörigen Biologie. Um da nun aber die Details und einzelnen Fragestellungen beizubringen reicht ein Semester unmöglich aus. Ich habe gehofft, ich kann wenigstens auf einen Grundstock Biologie und Chemie zurückgreifen, aber diese beiden Fächer haben die Studenten in dem ganzen Biomaterial-Studiengang nicht. Heute musste ich noch erklären, was Osmose ist. Nächste Woche werde ich ihnen etwas vom Reaktionsgleichgewicht, van’t Hoff und von der Michaelis-Menten Gleichung erzählen. Das hätte ich mir ja nie träumen lassen, dass ich einmal Chemie unterrichte, doch unter Blinden ist der Einäugige König. – Ich denke aber, dass ich mein Programm in dem einen Semester schon gut schaffe.
Mama hat mir so schöne Tourismus-Tips von Chengdu geschickt. Das werde ich schon noch alles ausprobieren. Für die Restaurants muß ich mir wieder Kollegen oder Studenten engagieren, damit ich auch was rechtes bekomme. Dieses Wochenende will ich aber in den Zoo.