China 17.06. – 23.06.2005
So viel gibt es dieses Mal nicht zu berichten. Am Freitag habe ich zuerst keine Ratten geschlachtet (das habe ich in diesem Jahr schon auch mal getan), sondern Nabelschnurzellen präpariert. Eine bestimmte Zellart, HUVEC, wird da in der Literatur sehr häufig verwendet, die wollte ich auch mal isolieren. Aus einer Uniklinik bekam ich drei Nabelschnüre. Der ganz große Erfolg war die Präparation nicht, aber fürs erste Mal kann sich das Ergebnis schon sehen lassen. – Die Nabelschnüre kamen kurz vor 1 Uhr am Nachmittag und waren schon mehrere Stunden alt, so dass ich beschlossen habe, sie noch vor dem Mittagessen zu präparieren. Das ist ja für die Chinesen, die sich früher und auch jetzt oft noch mit „hast du schon gegessen“ begrüßen, etwas ganz unverständliches. Bis kurz vor drei Uhr habe ich gewerkelt und dann zu den Studenten gesagt, dass wir jetzt essen gehen können.
Danach musste ich schon bald zur Geburtstagsfeier von Frau Schwarz. Sie ist vom Auftreten her und von ihrer Persönlichkeit eine Erscheinung. Sie hat eine Wohnung wie ich, etwas kleiner, aber recht schön hergerichtet. An der Wohnungstür hat sie Toulouse-Lautrec Plakat mit Aristide Bruant, in einem Zimmer hat sie das Gemälde von dem chinesischen Geist mit rotem Mantel, das ich ja auch in Dresden habe. Obwohl ihres gut ist, gefällt mir meines immer noch besser. Sie hat Kuchen gebacken, was mit chinesischem Mehl angeblich nicht so einfach ist. Es gab ein paar Salate und Rotwein. Die eine Deutschlehrerin war noch da, eine Französin, die chinesisch lernt und noch eine chinesische Bekannte. Studenten hat sie auch eingeladen, die kamen aber erst am Samstag; am Freitag hatten sie Prüfungen.
Nach der Geburtstagsfeier waren wir im Theater. Wie ich es verstanden habe, ist es eine Pekinger Theatergruppe, die den Studenten die Chinesische Oper wieder näher bringen will. Dazu baut sie auch etwas Akrobatik-Akte und mehr Action ein, auch die Musik ist wohl etwas modernisiert. Der Eintritt war mit 5 Yuan sehr billig, ich bekam auch das noch von der Deutschlehrerin geschenkt. Der Saal war aber sehr groß, ich saß weit hinte n, da waren die meisten Photos verwackelt. Dafür hatte ich mit der Deutschlehrerin eine recht gute Übersetzerin neben mir. Bis kurz vor dem Ende hatte ich das Gefühl, das Stück wäre letztlich ähnlich, wie das vorherige auch. Der Verwalter einer Provinz hat sich auf Kosten der Bevölkerung bereichert, das Volk kam in schwere Hungersnot, dann gab es auch einen Bürgerkrieg, den nur wenige überlebt haben, darunter ein Beamtenanwärter und seine Frau. Dieser Beamtenanwärter hatte eine wichtige Prüfung vor sich und gute Chancen sie zu bestehen und dann eine hohe Stellung zu bekommen. Er hat diese Gelegenheit genutzt und statt des Aufsatzes einen Bericht über die Zustände in der Provinz nach Peking geschickt. Dieser Bericht ging an den Kaiser, der hat einen Gesandten in die Provinz geschickt, der die Vorgänge aufklären sollte und auch die Prüfung von dem Kandidaten abnehmen sollte. Der Provinzverwalter und ein paar der Anführer für das Gemetzel im Bürgerkrieg wurden dann auch entmachtet, ins Gefängnis gesperrt oder hingerichtet. Der Beamtenanwärter bestand seine Prüfung und alles sah gut aus. Er bekam seidene Kleider von dem kaiserlichen Gesandten und noch einen Wein zu trinken. Und dann kam’s, der Wein war vergiftet. Ich hatte erst gedacht, das wäre noch mal eine Intrige von den anderen, es war aber ganz offiziell auf kaiserlichen Befehl. Auch in dem Fall kann man solche Querulanten nicht brauchen. Das war so in der Qing Dynastie, hat man mir erklärt. Immerhin waren die Chinesen vom dem Ende auch überrascht und enttäuscht.
Mal sehen, nächstes oder übernächstes Wochenende kann ich vielleicht in ein Marionetten oder ein Schattentheater. In meinem Chinesisch-Buch kam das Wort Mu’ouxi vor, was eben Marionettentheater bedeutet. Mein Lehrer hat gesagt, so was gibt’s in Chengdu nicht, es ist in Sichuan nicht üblich. So leicht wollte ich mich aber nicht zufrieden geben und habe meine Studenten gefragt. Da hat dann auch eine gleich im Internet gesucht und gesagt, das gibt’s in Sichuan schon, nicht in der Stadt, sondern auf dem Land, und man muß länger fahren. Ich habe gesagt, das will ich machen, nun sind sie am organisieren. Außer dem Mu’ouxi gibt es auch noch das Pi Ying Xi, das Schattentheater; auch das gibt es in Sichuan. Eigentlich hatte ich ja schon von beiden Theatern als klassisch chinesisch gewusst, aber nicht mehr daran gedacht. So wird es aber doch noch werden. Ich bin gespannt, was sie nun als erstes organisieren.
Von der Beamten-Prüfung im vorherigen Theater nun zu meinem Examen am Montag. Heute hatte ich noch mal eine Vorlesung und Besprechung meiner Trainings-Fragen. Die Studenten, die sie durchgearbeitet haben, haben erbärmlich abgeschnitten. Niemand hat 50% richtige erreicht. Wenn man bedenkt, dass 20% ja sowieso von der Statistik geschenkt sind, ist das schon schwach. Ich bin die Fragen noch mal durchgegangen. Ich bin überzeugt, sie sind nicht schwer; alles, was gefragt ist, habe ich mit meinen Präsentationen vorher schriftlich verteilt und habe es in der Vorlesung auch länger besprochen. Um ein Desaster zu vermeiden, habe ich nun erlaubt, dass beim Examen die Vorlesungsskripte benutzt werden können. Ich bin schon gespannt.
Bei der letzte Deutschrunde waren nur wenige Studenten da, weil sie am nächsten Tag auch eine Prüfung hatten. Dafür wurde die Runde dann in einem Biergarten nachgeholt. Es war recht nett. Getränke hat die Lehrerin übernommen und sich danach noch mal bei mir bedankt, dass ich die Runde so engagiert unterstützt habe.
Meine Haustiere bin ich noch immer nicht ganz los. Ein paar kleine Kakerlaken habe ich noch in meinem Bad gesehen. Die sind kaum größer als eine Ameise und noch nicht so ekelhaft. So lange ich da bin werden sie auch nicht mehr groß werden, trotzdem muß man den Anfängen wehren, und ich habe sie immer gleich derbatzt. In die Küche gehe ich seit langen so wie die Leute in den Krimis, die hinter jeder Türe einen Massenmörder vermuten. Ich habe aber nie mehr was gesehen. Vor kurzem habe ich in Bad und Küche noch mal prophylaktisch gesprüht – und am nächsten Tag lag ein toter Riesenkakerlak am Boden.