China 14.08. – 25.08.2005

Von dieser Woche gibt es auch wirklich nicht so viel zu berichten. Letztes Wochenende war ich nur in meiner Wohnung und habe Schreibtischarbeit gemacht. Zum Teil hat es sowieso geregnet. Ich habe sieben INTAS Projektanträge zur Begutachtung zugeteilt bekommen. Da ich mit so was ja noch nicht so viel Routine habe, brauche ich schon fast einen halben Tag für einen solchen Antrag. Bei dem Aufwand, den die Leute hineingesteckt haben, ist das ja auch gerechtfertigt. So habe ich mein Wochenende zugebracht. Immerhin gibt es auch Geld dafür; sollte das Geld aber angemessen sein, müsste ich in einer knappen Stunde mit einem Antrag fertig sein.

Ich konnte nun endlich von meinen eingeschmuggelten Zellen welche einfrieren und bin so sicherer, dass mir eine Kontamination nicht mehr viel anhaben kann. Ich wollte sie ja schon viel länger in Stichstoff bringen, dafür brauche ich aber als Zwischenschritt einen -70°C Kühlschrank, und der Professor, der den Schlüssel zu dem Raum mit dem Kühlschrank hat, hatte Urlaub. Da kann man nichts machen.

Eine sehr angenehme Überraschung hatte ich gestern Abend auch noch. Es hat an meiner Tür geklopft, draußen war eine Frau, im Hintergrund noch ein paar andere Leute. Sie hat etwas auf Chinesisch gesagt, was ich nicht verstanden habe. Das einzige, was ich verstanden habe war, wie die Leute dann festgestellt haben „Der versteht nichts“. Ich habe die Tür wieder zugemacht, kurz darauf hat es wieder geklopft. Die Frau hat mir zwei Bambus-Teehaus-Stühle vor die Tür gestellt und ist gegangen, hat gar kein Geld verlangt. Wer das initiiert hat, weiß ich noch nicht, es hat mich aber sehr gefreut. Von den Studenten hat niemand etwas davon gewusst. – Die Stühle sind aus recht frischem, noch leicht grünem Bambus. Mein anderer ist schöner, aber das macht nichts. Nun muß ich nicht mehr ganz so improvisieren, wenn ich Gäste habe.

Aber nun zum Fortsetzungsroman. Ich wollte den Sonntag ja ursprünglich schon eher berichten, es hätte dann aber diese Woche wirklich nicht zu viel gereicht.

So, der Sonntag war für die Stadt Xi’An reserviert. Wir sind wieder zeitig, um 7 Uhr aufgestanden und ohne Frühstück losmarschiert zur großen Moschee. Sie liegt ganz im Zentrum der Stadt, praktisch neben der Touristen- und Einkaufsstraße, wo z.B. auch der Teeladen war. Auch da gab es in der Umgebung noch eine Souvenir-Einkaufsstraße, die wir aber erst am Abend genauer anschauen wollten. Tagsüber waren wir ja nicht zum Vergnügen da, sondern hatten ein Programm abzuarbeiten. Die Moschee ist ein riesigen Gelände von 12.000 m2, es soll schon in der Tang-Dynastie (618-907 n. Chr.) hier eine Moschee gestanden haben, die jetzige ist aber aus der Ming-Dynastie. Sie ist ganz im chinesischen Stil gebaut, ich habe noch nicht mal ein Minarett gesehen. Nur an wenigen Stellen wirkt etwas orientalisch. Und der Gebetsraum, den wir nicht betreten durften, ist natürlich ohne Buddha-Figur und mit Teppichen ausgelegt. – Obwohl es so zeitig in der Früh war, waren schon eine Menge Reisegruppen da. Deutsche zwar (so weit ich mich erinnere ich) nicht, aber englisch, französisch, chinesisch; italienisch, spanisch auch, das hat mir aber nichts genutzt. Trotzdem, wenn etwas interessiert hat, mussten wir nur ein bisschen warten, dann kam schon eine Gruppe vorbei, die das erklärt hat.

Danach sind wir mit dem Bus weiter zur kleinen Wildgans-Pagode. Sie ist knapp außerhalb der Stadtmauer der Altstadt. Ich habe gedacht (ich glaube auch gelesen), man sollte von da einen schönen Überblick über die Altstadt haben, das war aber nicht. Gleich außerhalb der Stadtmauer waren Hochhäuser, man hat noch nicht mal die Stadtmauer gesehen. – Die Pagode soll von einem Erdbeben ein paar Stockwerke verloren haben und auch einen Riß über die ganze Höhe bekommen haben. Dieser Riß hat sich wie durch ein Wunder über Nacht von selbst geschlossen. Wir haben auch genau geschaut und nichts gefunden. – Der Eintritt, den man zuerst gezahlt hat, war nur für den Park. Da gab es eine schöne Sammlung von diesen Stein-Pfosten. Das waren Pferde-Abstellplätze. Irgendwer hat sie gesammelt und hier zusammengetragen. Schöne Schnitzereien hätte man kaufen können. Nicht nur den Konfuzius, sonder auch eine schöne Kompositi on aus zwei Kranichen und Lotusblatt. Die Schöpfkellen im Maskendesign waren auch recht interessant.
Für den Turm selbst musste man extra Eintritt zahlen und dann eine sehr enge Treppe hinaufgehen. Die Aussicht, die man dann hatte, war aber nicht so faszinierend. Durch den Park sind wir aber noch ein bisschen länger gegangen.

Danach gingen wir ins Museum der Stadt. Es ist ein archäologisches Museum mit Fundstücken aus allen Dynastien. Es war schön und interessant zu sehen. Schon eindrucksvoll, was die Chinesen so früh schon fertig gebracht haben. Da habe ich dann auch den Sinn der Terracotta-Armee erst richtig verstanden. Ähnliche Armeen, aber viel kleiner mit ein paar Dutzend Kriegern, und auch die nicht lebensgroß, gab es öfter. – Grabbeigaben gab und gibt es im Buddhismus nicht nur für Könige, sondern für alle. In Hongkong findet man ja eine Menge Häuser, BMWs, Fernseher, Geld, usw. aus Papier, was mit dem Verstorbenen verbrannt wird, damit er im Jenseits gut ausgestattet ist. In dem Museum waren dann auch eine Reihe tönerne Bauernhöfe, Mühlen, usw. ausgestellt, die die entsprechenden Leute als Grabbeigabe hatten. Die Terracotta-Armee war da nichts anderes. Sie war also weniger zum Schutz der Kaisers gedacht, sondern so seine normale Ausrüstung für das jenseitige Leben. – Die Quadrige, die ich am Vortag nicht recht knipsen konnte gab es da als Kopie, ohne Glas und ohne Leute außen rum.

Nach dem Museum ging es bei großer Hitze und noch immer leerem Magen weiter zur großen Wildgans-Pagode. Die ist ganz in der Nähe. Da haben wir dann erst mal ein bisschen einen Snack gegessen. Das Gasthaus war zur Abwechslung auch mal recht sauber. Papierservietten gab es hier nur auf Nachfrage, dafür aber kostenlos.

Wir hatten dann ähnliches Glück wie am Vortag bei dem Kaisergrab: Wir haben gewusst, dass es bei der großen Wildgans-Pagode eine Spritzbrunnen-Vorführung mit Musik gibt; wir haben aber nur gewusst, dass es sie als Son-et-Lumière Vorführung in der Nacht gibt, was wir nicht schaffen würden. Nun gab es gerade wie wir da waren auch eine, ohne Licht, nur mit Musik. Das war ein Spaß für Jung und Alt; Chinesische Kinder sind da keine Spur anders als deutsche. Ich habe ja an den Valentin und den Grafen Rembremerding gedacht: Tausend Spritzbrunnen, und jeder muß jeden Tag tausend mal auf- und zugedreht werden….

Wir waren im Park um die Pagode. Es gab prächtige, Marmor-getäfelte Räume, die das Leben von Buddha darstellten. Der Mönch, der den Buddhismus aus Indien einführte hat hier gelebt und die Schriften aus dem Sanskrit übersetzt. Die Räume waren dann auch noch so prächtig gemacht, wie ich es von Indien her kenne. Da es sakrale Räume sind, war das photographieren drinnen nicht erlaubt. Die Pagode selbst haben wir uns erspart. Sie hätte auch noch mal extra Eintritt gekostet. Etwas abgeschlafft waren wir ja auch schon.

Am Rausweg gab es aber wieder sehr schöne Bronzefiguren mit alten chinesischen Szenen. – der Blaue Bauzaun ist als Hintergrund leider nicht so ganz glücklich.

Wir haben danach keine Müdigkeit vorgetäuscht, sondern sind weiter zum Stelenwald. Der gilt auch immer als Attraktion der Stadt. Besonders für Leute, die chinesische Kaligraphie lernen ist das ein Muß. Was Stelen sind, weiß man ja spätestens seit dem jüdischen Museum in Berlin. Hier sind die Steintafeln aus vielen verschiedenen Jahrhunderten mit unterschiedlichsten Arten chinesischer Schriftzeichen beschriftet. Man kann da die Schreibstile studieren. Es gibt auch steinerne Wörterbücher und Übersetzungstafeln, die die Entzifferung mancher Texte erst möglich machen. – Natürlich sind hier auch die Texte des Konfuzius. Der Student sagt, alle Schüler müssten sie lernen, und sie wären ein Greul. Die wichtigste Schrift des Konfuzius, die die Macht des Herrschers legitimiert und ableitet, dass die höchsten Beamten ihn wie ihren Vater behandeln müssen, steht ganz groß draußen in einem Pavillon. Die anderen Tafeln waren aber praktisch alle in wettergeschützten Räumen. Das hatte ich mir beim Stelen-Wald ja naiv anders vorgestellt. – Die interessanteste Stele war die rechts. Es ist die Schrift vom Dichter Yan Xiu, der eine sehr charakteristische wilde Kursivschrift hatte, für die er auch sehr berühmt war. Er schrieb hier ein Gedicht über die Behandlung von Magenschmerzen, und was er da beschrieben hat, wirkte so gut, dass alle Ärzte ganz begeistert davon waren. Seitdem und im Andenken an den Dichter üben sich alle Ärzte der Welt in dieser wilden Kursivschrift des Dichters.

Manche der Stelen werden auch als Druckblock verwendet, und die Abdrücke sehen auch sehr gut aus. Nur die Schrift ist natürlich spiegelverkehrt.

Das Museum hatte noch eine Ausstellung mit mehr figürlichen Sachen, was mir im allgemeinen besser gefallen hat. Da durfte man aus irgendwelchen Gründen nicht photographieren.

Mit diesem Stelenmuseum war unser Tag noch nicht zu Ende; es kam noch die Stadtmauer an die Reihe. Xi’An ist angeblich die einzige Stadt Chinas mir vollständig erhaltener Stadtmauer. Sie ist nicht mehr oder weniger rund, wie bei uns, sondern sehr exakt rechteckig. Sie ist etwas höher und natürlich viel breiter als unsere Stadtmauern. – Eigentlich war die Besichtigungszeit schon zu Ende, wir bekamen aber trotzdem noch ein Eintrittsticket und konnten hinauf. Oben haben wir uns ein Tandem gemietet und sind die ganze Mauer, etwa 14 km abgeradelt. Ich saß ja noch nie auf einem Tandem, und das Rad da war ja auch nicht gerade eine Luxusausführung. Es war schon sehr komisch zu radeln und zu lenken. Wir dachten ja zuerst, wir wechseln bei jeder Seite ab, das hat aber nicht funktioniert, der Student konnte dieses Rad nicht lenken, außerdem war ihm der Sattel vorn zu hoch (verstellen konnte man nichts mehr), und ich konnte nicht mit dem starren Lenker hinten sitzen. So war ich die meiste Zeit der Leithammel und habe mir überlegt, ob der Student nun jedes Schlagloch, durch das ich fahre besonders stark abbekommt oder genauso wir ich.

Von der Stadtmauer hatte man dann schon einen schönen Blick in die Altstadt. Die  hat wirklich mehr chinesischen Stil und Flair, als es Chengdu aufbringt. Da macht es schon einen Unterschied, ob die Stadt in einer oder in fünf Dynastien Hauptstadt war. In Xi’An wirken aber auch neu errichtete Häuser viel chinesischer als die Neubauten in Chengdu. Bausünden und rechte Plattenbauten gibt es aber in manchen Bereichen der Altstadt von Xi’An aber auch.

Nach der einen Stunde Tandem-Fahrt auf dem fremden, nicht eingestellten Rad hat mir der Hintern schon wehgetan, ansonsten war es aber entspannend und angenehm nach dem langen Tag.

Wir sind dann durch ein altes Stadt- und Einkaufs-Viertel zu unserem Hotel gegangen. In diesem Viertel habe ich dann auch so einen Tuschestein (Imitat aus immer noch schwerem Plastik) sehr billig gesehen und gekauft. Es gab einige, die für den gleichen Preis noch viel aufwändiger waren, ich denke aber, dass diese Form zeitloser und auf alle Fälle leichter zum Abstauben ist.

Abendessen wollte ich dieses Mal wo schönes, in einem Luxus-Gasthaus, wo es einen nicht ständig graust. Ein Gasthaus, das unten Dumplings fürs Volk hat, ist im ersten Stock auch ein gutes Restaurant. Da sind wir hinein und es war auch wirklich angenehm sauber. Wir bekamen die Speisekarte für größere Gruppen, Sets mir verschiedenen Dumplings für 10 Personen und mehr. So viel haben wir uns doch nicht zugetraut. Wir haben gefragt, ob es nicht auch eine normale Speisekarte gibt. Was dann kann, sah aus als wäre es die Karte von unten. Da gab es nur zwei Arten Dumplings. Wir wollten beide bestellen, schließlich ist das das berühmteste Restaurant der Stadt dafür. Es gab aber nur eine der beiden Arten, die andere gibt es nur im Set. Von einem anderen Gericht, das wir ausgewählt haben, dem rohen Fisch, hat uns die Bedienung abgeraten, und ein drittes Gericht, das wir ausgesucht hatten, gab es nicht mehr. An einem Nachbartisch habe ich eine schöne Obstplatte als Nachtisch gesehen und wollte die auch. Es gab aber nur noch Wassermelone (5 Scheibchen), zum Preis, für den man leicht eine ganze Frucht kaufen kann. Bei der Gesamtrechnung habe ich schon mal schlucken müssen. Das war für die kleine Menge, die wir gegessen haben und für China schon sehr teuer. Die Papierservietten waren wieder extra berechnet.

Wir sind dann noch mal zu dem Teeladen gegangen, wurden wieder sehr freundlich behandelt, durften extra teure Tees probieren. Wir waren da lange festgehalten, haben auch Preisabsprachen mit dem Nachbar-Teeladen mitbekommen (unser Laden wollte den billigeren Preis durchsetzen). Dann habe ich mir, was ich schon länger vorhatte, einen Tee-See gekauft, eine Untersetzer, auf dem man beliebig pritscheln, seinen ersten Aufguß Grüntee wegschütten kann und so weiter. Unten ist ein Auffangbecken. Das ganze ist aus hartem und schwerem Obstbaumholz (angeblich Birne), vielleicht aber auch Rose. Bei dieser Holzsorte gab es mehrere Unsicherheiten bei der Nennung und Übersetzung. Wir haben nur wenig Rabatt heraushandeln können, ich habe aber das Gefühl, dass ich nicht übers Ohr gehauen wurde.
Dann war es sehr spät, die Straße bei der Moschee haben wir nicht mehr angeschaut sondern sind gleich ins Hotel.

Am Montag sind wir wieder zeitig aufgestanden und mit dem Shuttle-Bus zum Flughafen. Fürchterlich geregnet hat es und kühl war es. Da war mir für das Sightseeing die Hitze eigentlich dann doch lieber. – Der Flieger hat dann drei Stunden Verspätung gehabt, angeblich konnte wegen des schlechten Wetters die Maschine nicht rechtzeitig kommen. Ich glaube aber mehr an ein organisatorisches Problem; es gab nämlich mindestens fünf Starts und Landungen der gleichen Fluggesellschaft während dieser Zeit.

Das war also der Bericht von Xi’An. Kommendes Wochenende bin ich mehr in der Umgebung. Mit ein paar Studenten fahre ich zum Bambus-See. Ein paar Busstunden weg soll es aber auch sein. Wir bleiben da eine Nacht. – Die nächste große Unternehmung wird dann Shanghai, Hangzhou und Suzhou. Ich hoffe, ich kann einen Studenten dazu motivieren. Eigentlich hatte ich Shanghai und Nanjing ausgesucht, das fand mein Chef aber nicht so spannend und riet mir zu diesen Städten. Es gibt das Sprichwort „Der Himmel hat das Paradies und China hat Hangzhou und Suzhou.“ Demnach muß das schon fein werden.

Posted on: 25. August 2005Manfred Maitz