China 16.09. – 24.09.2005

Hier gab es vielleicht eine wundersame Verwandlung oder Seelenwanderung. Vor einem Häuschen, an dem ich auf dem Weg zum Büro immer vorbei komme war in den letzten Wochen bevor ich in Deutschland war immer ein süßes kleines Hündchen. Seitdem ich zurück bin ist es eine Ente. Irrtum völlig ausgeschlossen. Ich glaube auch nicht, dass es vorher eine Ente im Hundefell oder nun ein Hund im Entenkleid ist. Auch wenn der Hund noch sehr jung war, würde er sich wahrscheinlich nicht zu einer Ente auswachsen. Allerdings sind beide Tiere etwa gleich scheu. Was ich mir weiter überlege: Die Zukunft der Ente ist mir ja relativ klar, aber der Hund?

In letzter Zeit habe ich zweimal Esel gegessen. Ich dachte ja immer, das Tier ist nach dem Tod so störrisch wie vorher, das Fleisch war aber so zart wie sonst keines und wunderbar geschmackvoll. Die Chinesen sagen, was für den Himmel das Drachenfleisch als Delikatesse ist, ist auf Erden das Eselfleisch.

Diese Woche war die internationale Plasma Konferenz hier in Chengdu. Huang Nan war der Organisator, und es ist wirklich alles sehr gut gelaufen. Studenten waren in Mengen angestellt und mussten den Konferenzteilnehmern Hilfe leisten, übersetzen, zusätzliche Sightseeing-Touren machen. Die Studenten waren da ganz toll und haben wirklich mehr gemacht, als man es sonst auf Konferenzen findet.

Mein Vortrag war auf den Nachmittag verschoben. Eigentlich war für den Nachmittag ein Besuch in der Panda-Zuchtstation geplant; weil auswärtige Staatsgäste angekündigt waren, musste das Programm da geändert werden. Ich bin da auch noch mal mitgegangen, und es war schön. Allerdings, beim ersten Mal mit mehr Zeit war es schon besser.

Das Bankett bei der Konferenz habe ich dagegen überwiegend geschwänzt. Es war auch um einen Tag nach vorn verschoben. Für den Tag hatte ich aber von der Deutschlehrerin eine Einladung zum chinesischen Theater. In der Uni wurde wieder eines gespielt, dieses Mal vom Ensemble des Stadttheaters in Chengdu. Es war dann auch prompt das, von dem ich bei meinem aller ersten Theater-Besuch hier nur den Schluß gesehen habe (und kostenlos ins Theater kamen). Die Studenten hatten es mir ja erklärt, worum es ging: Der Alte war hoch angesehen und beliebt im Dorf. Weil er irgendwo eine andere Meinung vertreten hat als der Lehrer der Enkelin, hat sie einen Brief geschrieben und gefragt, was denn nun wirklich richtig sei. Darauf hin musste er ins Gefängnis und ging da freiwillig mit, weil er ja einen Fehler gemacht hat. – Nun habe ich das Stück also ganz gesehen, das Ergebnis ist aber nicht viel anders. Der Alte war so etwas wie ein Bürgermeister des Dorfs und selbst Parteisekretär. Es wurde einiges gezeigt, wie er sich für seine Gemeinde einsetzt, Streit schlichtet. In einer Familie behandelt die Schwiegertochter ihre Schwiegermutter ständig sehr schlecht. Nachdem der Bürgermeister die Schwiegertochter ein paar mal gemahnt hat, droht er ihr , sie das nächste Mal an den Pranger zu stellen. Das gab es als Bestrafung in der Kulturrevolution, danach aber nicht mehr. Der Bürgermeister meint, er ist hier der Vorstand und bestimmt über Recht und Gesetz. Der Hausdrachen nimmt sich das Leben, und die Enkelin vom Bürgermeister wundert sich, ob denn wirklich der Bürgermeister so ein eigenes Gesetz machen darf. Das war die Ursache für den Brief. – Eigenartige Lehrstücke haben die Chinesen ja schon: hier dieses, wo der Dorfvorsteher, der stets das Beste für seine Gemeinde gewollt und getan hat ins Gefängnis muß, weil er in manchen Vorstellungen über Gerechtigkeit abweicht (allerdings schon wirklich recht weit), obwohl aller Bürger hinter ihm stehen. Das letzte Mal wurde der Beamtenanwärter, der die Missstände in der Provinz aufgezeigt hat auf kaiserlichen Befehl vergiftet, weil man solche Querulanten nicht brauchen kann.

Subroto, der Inder, der ein Jahr in Rossendorf war, und den ich im letzten Jahr besucht habe war nun auch auf der Konferenz. Es war fein, ihn wieder zu treffen. Am Sonntag und am Donnerstag war ich mit ihm in der Stadt zum Shopping und Sightseeing. Am Sonntag (Vollmond) war das Mitherbst-Fest, ein wichtiger chinesischer Feiertag. Wahrscheinlich waren deshalb alle Eintritte zu berühmten Tempeln und Parks doppelt so teuer. Wir waren in einem weniger berühmten Tempel, der dafür um so aktiver benutzt wird. Ein vegetarisches Restaurant gibt es darin auch, in dem ich vorher schon zweimal gegessen habe. Ich hatte ja immer gedacht, das hat nur eine vegetarische Tradition, bietet nun aber schon Fleisch an. Nun habe ich gelernt, dass alles Fleisch da nur Imitation ist. Beim Fisch und einigem Dosenfleisch war das schon wirklich täuschend echt. Nun muß ich da schon noch mal hin und z.B. die vegetarische Schweinshaxe (-Pfote) und ein paar andere Sachen probieren.

Am Donnerstag waren wir dann auf dem Kunstmarkt, wo ich meinen Gockel her habe. Subroto hat sehr eifrig eingekauft, aber nur kleine Bilder. Danach saßen wir ein paar Stunden an einer schönen historischen Straße in einem Teehaus, jeder mit einem Glas mit etwa sieben Chrysanthemen-Blüten, und da haben wir uns ständig, bestimmt zwei Liter Wasser nachfüllen lassen.

Morgen bin ich im Labor arbeiten, dafür gehe ich am Montag mit einem Studenten in ein chinesisches Puppen-Museum. Daß ich noch ein echtes Puppen- und Schattentheater sehen will, habe ich auch schon oft genug angemeldet, so dass sich die Studenten danach schon auch umsehen. Ich hoffe, das klappt noch.

Eine andere große Verwunderung hatte ich im Labor erst. Ein Gerät betreiben sie hier mit einer illegalen Software. Die Demo-Version des Programms ist da so verändert, dass man es statt 30 Tagen beliebig lang nutzen kann. Plötzlich hat das aber nicht mehr funktioniert, und irgendwer hat während ich in Shanghai war den Service-Menschen angerufen. Der hat gesagt, er kommt in den nächsten Tagen vorbei. Ich habe gesagt, wir müssen den Crack von der Software unbedingt entfernen, sonst gibt es Ärger. Letztlich kann es da aber auf, dass der Mann, der uns das Gerät verkauft und installiert hat selbst die illegale Software installiert hat (wurde auch nicht berechnet). Die Studenten hat das wieder gar nicht gewundert.

Posted on: 24. September 2005Manfred Maitz