China 15.10. – 16.10.2005

eBay gibt es in China auch, zumindest sieht man das Logo recht oft auf Bildschirmen der Kollegen. Wie viel es genutzt wird, oder ob es nur als Werbe-Link in Suchmaschinen vorkommt, weiß ich nicht.

Gestern war wieder Deutschrunde, und nun war auch Frau Schwarz wieder da. Anscheinend ist sie seit Samstag wieder in Chengdu. Sie hat mir auch gleich nach der Begrüßung gesagt, warum wir uns im Juli in Peking verfehlt haben. Das hat gar nichts mit dumm anstellen zu tun. Wie sie landen sollten, war ein fürchterliches Gewitter in Peking. Sie mussten lange Warteschleifen kreisen, bis der Sprit ausging und sind dann an irgendeinem anderen Flughafen gelandet. Erst um 2 Uhr in der Nacht waren sie in Peking. Da hatte ich schon längst aufgegeben, und sie haben auch gar nicht mehr nach mir Ausschau gehalten. Der Flieger, den ich aus Chengdu kommen sah, war wohl noch mal ein anderer.

So, aber nun zu meiner Reise, die ja wieder mal recht kurz entschlossen lief. Die Studentin hatte auch nicht so arg viel organisiert und geplant, aber voll ausreichend. Am Donnerstag sagte sie noch, ein Bus nach Chongqing, wo unsere Schiffsfahrt starten soll, geht alle 30 Minuten und dauert etwa vier Stunden. Wir müssen aber spätestens um 11 Uhr losfahren, weil gerade an dem Wochenende sich alle Bürgermeister der Welt in dieser Stadt treffen (vielleicht nicht alle, aber doch ca. 2000, und das international) und man dann wegen Sicherheitsmaßnahmen nicht in die Stadt kommt. Ich bin am nächsten Tag also sehr zeitig aufgestanden, habe meine Laborarbeit erledigt, hatte dann auch noch einen Besuch im Labor, und um ½ 11 Uhr war das Mädchen noch nicht da. Wie sie dann kam, sagte sie, wir fahren mit einem anderen Busunternehmen, das bessere Busse hat. Da können wir auch am Nachmittag losfahren. Mir war es ja sehr suspekt, dass die Busse wirklich permanent fahren sollen, ohne festen Zeitplan. Beim Bambus-Wald hatten wir ja etwas ganz anderes erlebt. Sie hat mir dann noch gesagt und auf einer Karte gezeigt, was wir sehen wollen und wie die Route aussieht. Da das Schiff in Chongqing nur um 20 Uhr losfährt, fand ich ja eine Abreise von Chengdu am Nachmittag nicht sehr realistisch. Sie sah es dann ein, hat anscheinend auch noch ein bisschen telephoniert und rief mich dann um 12 Uhr, dass wir nun los müssen. Mit dem Taxi zur Busstation, und da ist tatsächlich praktisch gleich ein Bus nach Chongqing gefahren. Die Fahrt war vier Stunden mit einer kurzen Pause. Nach der Ankunft rief die kleine Chinesin sofort das Reisebüro an, sagte, dass wir nun da sind und wollte wissen, wo wir nun hin müssen zum Buchen. Zwei oder drei Taxifahrer weigerten sich, uns da hinzufahren, weil ja das Bürgermeistertreffen ist und alle Straßen gesperrt sind. Schließlich fanden wir doch einen, der uns auch zielstrebig und ohne Probleme mitten in die Stadt an den Zusammenfluß von Jialing Jiang und Yangtze fuhr.

Chongqing ist eine interessante Stadt. Es ist zwar eine moderne Industriestadt mit vielen Hochhäusern, trotzdem hat sie noch chinesisches Flair. Sie ist ganz an einem oder mehreren Berghängen gebaut. Dadurch sind aller Straßen recht steil, was die Studentin gar nicht kannte. Besonders schön muß es auch in der Nacht sein. Man sieht da die beleuchteten Hochhäuser kulissenartig am Berg angeordnet und Hauptstraßen voller Autos in Serpentinen an den Berghängen. Leider hatten wir dafür keine Zeit; der Blick vom Schiff auf den Hafen und die Stadt war auch toll, aber doch nicht so der Berg.

Die Buchung der Schiffsfahrt war kein Problem, es war noch Platz frei (ob die Studentin den reserviert hat, weiß ich nicht). Erste und zweite Klasse waren ausgebucht; wir hätten sowieso dritte Klasse genommen. Da konnte man noch mal zwischen einfacher und Luxus-Ausführung, mit 6-8 Betten bzw. mit 4 Betten je Kabine wählen. Ich habe mich für die Luxus-Ausführung entschieden. Wir wurden noch gefragt, ob wir an Bord essen wollen, da sollen wir etwa 40 Yuan einrechnen, oder ob wir uns selbst versorgen wollen. Ich wollte wissen, wie das Essen an Bord denn so ist. Die Antwort bekam ich nicht übersetzt; wir sind in den nächsten Supermarkt einkaufen gegangen. Dann war noch die Frage, wie weit wir fahren wollen, nur bis Wanxian zu den kleineren Schluchten oder bis Yichang zum Dreischluchten-Staudamm. Da habe ich gesagt, den Damm will ich dann doch sehen, so nahe komme ich nie mehr. Wir haben also die lange Strecke gebucht, was sich als nicht so übermäßig schlau herausstellte(und trotzdem würde ich es wieder machen). Wir haben sogar noch eine Busfahrt bis Wuhan gebucht, die wir am Schiff gegen Erstattung des halben Preises storniert haben. Die Reise sollte zwei Tage und drei Nächte dauern.

Die Kabine war nicht schlecht, halt recht eng. Das Bad war recht schön (ordentliches Klo), es gab aber weder Seife, noch Handtücher oder Klopapier. Betten waren Holzbetten, statt Matratze gab es nur ein Brett, im Prinzip war aber alles o.k., auch akzeptabel sauber. Ich wollte eigentlich noch ein Photo machen, habe ich aber vergessen. Wenn man bedenkt, dass wir so Reise und Unterkunft in einem hatten, rechnet sich der Preis auf alle Fälle. Noch eine ältere Frau hatten wir in der Kabine, die war aber kein Tourist, sondern fährt mit dem Schiff nach Hause. Bei der bergigen Strecke sei das angenehmer als der Bus. Dann kam noch ein junger Mann in die Kabine und blieb die ganze Strecke. Wenn ich die Studentin richtig verstanden habe, war es ein blinder Passagier – ich weiß nicht, ob er an Bord erwischt wurde und zahlen musste und offiziell bei uns einquartiert war, oder die ganze Strecke schwarzgefahren ist. Er war so eigentlich recht nett und gepflegt, allerdings habe ich dann schon besser auf meine Sachen aufgepasst. Ich habe auch den Verdacht, dass er aus dem Schiffsrestaurant zwei Reisschalen mitgehen ließ – oder er hat sie kurz vor dem Ende der Reise noch zurückgegeben, was ich nicht mitbekam.

Am ersten Abend sind wir noch losgefahren. Außer dem Blick auf die Stadt gab es nicht viel Interessantes zu sehen. Wir haben uns bald schlafen gelegt, weil am nächsten Tag schon für ½ 6 Uhr Programm (Frühstück) angesagt war; um 6 Uhr sollten wir von Bord, eine Besichtigung machen. Das Frühstück mit Reissuppe, Brot, zweierlei Dumplings und einem harten Ei war nichts so tolles, aber o.k., chinesisch halt.

Um 6 Uhr haben wir dann die Geisterstadt Fengdu besucht. Dieser Name hat nun eine recht eigenartige Doppelbedeutung. Wenn der Staudamm 2009 fertig sein wird, wird die alte Stadt bis zum zweiten Stock unter Wasser stehen. Die Bewohner sind schon in die neue Stadt am anderen Ufer umgesiedelt worden. Derartige verlassene Häuser hat man auf der ganzen Strecke recht viele gesehen. Irgendwie schon ein recht eigenartiges Gefühl. Dieser Staudamm bedeutet die größte Umsiedlung in Friedenszeiten. 1.3 Millionen Menschen.

Geisterstadt heißt die Stadt aber eigentlich nicht deshalb. Dahinter und am Berg (auch vor dem Wasser geschützt) ist ein sehr alter Kultort. Die Seelen aller Verstorbener müssen durch das Geistertor (das auf dem Bild ist es nicht – ich habe verpaßt, es zu photographieren), dann die Huang Quan Lu (Acheron Straße) entlang gehen (auf dem Photo sind aber harmlose Touristen). Vom Wang Xiang Turm können die Seelen zum letzten Mal einen Blick in ihre Heimat werfen und erhalten danach von Meng Po den Tee oder die Suppe des Vergessens. Sie müssen die Nei He Brücke, eine Brücke des Schicksals überqueren, was nur den guten Seelen gelingt; die bösen fallen herunter und werden im Nei He Fluß von wilden Tieren oder so zerfleischt. Damit ist es aber noch nicht getan, dann kommt die Seele vor den Richter. Davon gibt es eine ganze Menge, die nebeneinander arbeiten. Oft sind es wichtige Herrscher früherer Dynastien. Für ihre Untaten müssen die Seelen büßen, oder sie kommen (direkt?) in die Hölle. Da habe ich dann manches nicht verstanden. Was in der Hölle genau passiert. Es gibt auch freundliche Treffen zwischen dem König der Hölle und Abgesandten des Himmels – aber nicht nach dem Motto: „Von Zeit zu Zeit seh’ ich den Alten gern und hüte mich mit ihm zu brechen…“, sondern die Delegation des Himmels macht sich auf die Reise. – Welche Seelen für die Wiedergeburt ausgesucht sind, und ob manche (wie im Hinduismus) ganz im Himmel bleiben dürfen. weiß ich nicht.

Die Geisterstadt war jedenfalls wirklich ein sehr eindrucksvolles Erlebnis. Ein Teil war modern nachgestellt, teils als Geisterbahn, teils Museums-mäßig. So, wie ich es verstanden habe, wird dieser Teil überflutet werden. Der historische, alte Teil mit Tor, Weg und Turm usw. bleiben als Insel erhalten.

Danach ging es weiter flussabwärts – soweit es bei dem gestauten Fluß abwärts gehen kann. Die mitreisende ältere Frau sagte, der Fluß fließ seit dem Damm schon recht ruhig. Früher wirkte er viel gefährlicher. Der nächste Halt war bei der Shibaozhai Pagode, die auf die Qing-Dynastie zurückgehen soll. Wir mussten erst durch ein Heer von Essens- und Souvenir-Verkäufern aller Art, außerdem durch ziemlich hohen Schlamm, dann konnten wir die Pagode erklimmen. Man hat einen schönen Blick über den Fluß, und vor allem auch über das Land. Sonst war da eigentlich nichts so besonderes, und wir sind auch bald weiter gefahren.

Das Land war aber auch ohne Schluchten vom Schiff aus recht schön. Immer wieder steht irgendwo eine Pagode, oder man sieht einen Wasserfall.
Es gab manche recht idyllische Bauernhöfe (solange man nicht bedenkt, dass man da weit ab von aller Infrastruktur ist) und leider natürlich auch immer wieder verlassene Häuser, die in wenigen Jahren unter Wasser stehen werden.

Am Nachmittag war noch die Besichtigung des QingLong Wasserfalls angeboten. Mit gut 100 Metern Breite und einer Fallhöhe von über 60 Metern soll er der größte Wasserfall Asiens sein. Der Besuch war nicht im gebuchten Reiseprogramm, man musste extra zahlen, sogar relativ viel, weil es eine extra Busfahrt dahin war. Die Studentin wollte erst nicht recht, meinte, das wäre zu teuer, der Wasserfall ist auch nicht besonders berühmt usw. Ich sagte, wenn wir erst zurück sind in Chengdu können wir den Wasserfall zu diesem Preis nicht mehr sehen. Sie kam dann schon mit, und hat es nicht bereut. Besonders beeindruckt hat mich ja, dass man da hinter dem Wasserfall entlang gehen kann. Es gab zwei Wege, einen näher am Wasser (ich glaube aber, dass der gesperrt war) und einen näher am Felsen. Es hat zwar ein bisschen gespritzt, windig war es ja auch, hat aber weiter nichts gemacht. Die Studentin ist da recht schnell gelaufen, während ich ein paar Photos gemacht habe. Ich habe sie nach dem Wasserfall noch in der Höhle gesehen, auch, wie sie aus der Höhle hinausging, und dann nicht mehr. Da hatte ich schon ein bisschen ein schlechtes Gewissen, dass ich ihr den Wasserfall aufgedrängt habe, und ihr so was vielleicht gar nicht gefällt und sie deshalb schneller weitergegangen ist. Ich habe die Runde dann auch etwas schneller gedreht, als ich wollte, habe sie aber unterwegs nicht getroffen. Auch am Bus war sie nicht. Wie ich sie dann am Handy anrufen wollte, sah ich, dass ich von ihr schon eine SMS bekam mit der Frage, wo ich denn sei. Das Wasser hat ihr nur auf die Blase gedrückt, wie ich sie vermisst habe, war sie gerade auf dem Klo. Auch sie hat sich gewundert, warum ich bei dem Wasserfall nur so kurz geblieben bin. – Ein paar Bäume haben da noch sehr interessant geblüht, die ich gar nicht kenne.

Die nächste Station an dem Tag war der Zhang Fei Tempel, um 21:15 in der Nacht. Auch da war der Eintritt nicht im Reisepreis inbegriffen. Insgesamt gelohnt hat er sich nicht, vielleicht wollte das Führungs-Personal aber auch nur bald Feierabend machen. Zhang Fei war General in der Zeit der Drei Königreiche – in Chengdu ist auch eine berühmte Statue von ihm. Er muß ein sehr gebildeter Mann gewesen sein, der auch schreiben und lesen konnte. Außerdem waren ihm seine Freunde und Verwandte (seine Schwester) sehr wichtig. Er war aber sehr hart gegen seine Unergebenen. Irgendwann haben die das nicht mehr ertragen. Wie er nach einem Zechgelage betrunken war, beschlossen sie, ihm im Schlaf den Kopf abzuschneiden. Er schlief aber immer mit offenen Augen. Der Soldat, der die Tat vollbringen wollte/ sollte hat sich nicht recht getraut und hat mit dem Schwert am Hals nur etwas gekitzelt. Zhang Fei hat im Schlaf gemeint, es wäre eine Fliege und hat danach geschlagen und sich so selbst die Gurgel durchgeschnitten. – Die Soldaten dachten, sie bringen den Kopf dem Feind, dann sind sie in Sicherheit. Kurz vorher hat aber Zhang Fei mit diesem Gegner Frieden geschlossen. Aus Ratlosigkeit und Angst warfen die Soldaten den Kopf in den Fluß, wo ihn ein Fischer fand. Der Zhang Fei Tempel soll da errichtet sein, wo der Fischer den Kopf begraben hat – allerdings musste der Tempel nach einer Überschwemmung mal umziehen, der Kopf – glaube ich – nicht.

Noch kurz zum Schluß: Ich muß hier zur Zeit fast reihenweise zur Organentnahme Kaninchen töten (injiziere eine Überdosis eines Schmerzmittels), die Studentin, deren Versuch es eigentlich ist, trifft die Ohrvene meist nicht. Ein Kommilitone hat gefragt, ob er nach unserem Versuch einmal das Hasenfell für den Winter, für seine Schuhe haben kann. Da haben wir nichts dagegen, nachdem wir unseren Versuch am Laufen hatten, die entnommene Arterie versorgt war, habe ich dem Karnickel sauber das Fell abgezogen. Dann habe ich ja noch gewusst, dass man das Fett und die Hautmuskelschicht abschaben muß, habe aber nicht gewusst, wie weit und fand mich immer so nahe beim Loch, dass ich dann mit dem Kratzen zurückhaltender war. Wie wir gerade beschlossen haben aufzuhören, hat die Putzfrau in den Tier-OP hineingeschaut; wohl mehr, um zu sehen, ob jemand vergessen hat, das Licht auszuschalten oder so. Das ist eine nette, jüngere Frau, die auch so immer freundlich grüßt. Ich habe der Studentin gesagt, sie soll die Putzfrau mal fragen, ob die nicht weiß, wie das geht . Da die Studentin bei so was nichts kennt, hat sie auch gleich gefragt, die Putzfrau hat geschaut, gesagt, dass muß man eigentlich beim warmen Tier machen. Da lässt sich die Haut viel besser abschaben. Sie hat aber trotzdem gleich mein Messer genommen, uns instruiert, das Fell gut zu spannen und hat bestimmt eine halbe Stunde das restliche Fleisch und Fett abgekratzt – zwei oder drei Löcher hat sie auch gemacht. Die Studentin hat immer wieder gesagt, das reicht jetzt aber schon (sie wollte eigentlich heim und baden, weil das Bad im Studentenwohnheim bald geschlossen wird und sie am Vortag schon zu spät dran war). Die Putzfrau hat aber gemeint, das ist überhaupt kein Problem und hat fleißig weiter präpariert. Sie hat natürlich die Gelegenheit genutzt und die Studentin feste über mich ausgefragt. – Danach sollten wir das Fell nur zum Trocknen aufhängen, irgendwie extra gerben scheint es nicht zu brauchen (was mich wundert).

Danach hat die Studentin mal wieder gemeint, ich wäre ja soo schlau. Wie ich denn wissen kann, dass sich die Putzfrau mit so was auskennt? Ich habe nur antworten können: Die hat halt nicht studiert, da weiß man so was.

Posted on: 16. October 2005Manfred Maitz