China 28.10. – 04.11.2005

In 14 Tagen werde ich um die Zeit schon am Flughafen in Shanghai sitzen und versuchen, irgendwie die Nacht zu verbringen. – Diese Woche habe ich nun endlich mein Flugticket gekauft. Es war dann auch etwas teurer als es die Woche vorher noch aussah, etwa der Preis, zu dem ich auch her geflogen bin. Ich werde kurz nach Mitternacht in meiner Wohnung ankommen. Vor der Reise graut mir schon etwas. Mitternacht in Deutschland ist schließlich 7 Uhr in der Früh hier in China. Zwei Nächte die ich nur irgendwie im Sitzen schlafe… Ich wollte ja zuerst am 18. den ersten Flug von Chengdu nach Shanghai nehmen, zu der Zeit ist hier aber so oft Nebel und viele Flüge werden gestrichen, da hat man mir abgeraten. – Die Verbindung über Peking, die ich zuerst geplant hatte, war ausgebucht.

Sehr viel zu berichten gibt es von der vergangenen Woche nicht. Am Wochenende hatte ich für Samstag zwei Einladungen. Eine mit der Deutschrunde in einen Park zum Grillen, was ich aber nicht annehmen konnte. Die andere zu einem Kollegen in die Wohnung zum Essen. Das ging natürlich vor (kam auch eher). Es waren noch viele Studenten eingeladen, die chinesisch gekocht haben. Der Kollege hatte im Frühjahr auch mal von italienischen Nudeln geredet, die man hier in auch finden kann. Die sollte ich doch einmal kochen, wahrscheinlich wird er sie aber nur einmal essen, weil er Tomaten nicht mag. Ich habe mir gedacht, man muß die Nudeln ja nicht nur mit Tomatensoße machen, habe in Dresden sogar schwarze Spaghetti aufgetrieben, zwei Packungen mit einer Sahne-Fertigsoße und Parmesan. In die Sahnesoße habe ich Tunfisch-Paste gerührt und einige getrocknete Shrimps. Das gab einen wunderbaren Meeresfrüchte-Geschmack. Das muß ich mir schon merken und öfter mal machen – von den Chinesen hat jeder nur einen Bissen probiert und niemand mehr gegessen. Das war schon enttäuschend, dass ich den Geschmack so total verfehlt habe. Manche mögen keinen Käse, andere mögen keine Meeresfrüchte. Die Geschmäcker von Chinesen sind ohnehin ziemlich nach dem Motto: „Was der Bauer nicht kennt…“. Was sie nicht von Kind auf in ihrer Provinz immer gegessen haben, schmeckt ihnen nicht so sehr. – Amarettini habe ich noch mitgebracht, da gab es wenigstens recht einhellige Zustimmung.

Danach gab es noch ein bisschen geselliges Beisammensein in der Wohnung. Etwas schade, eigentlich auch unhöflich finde ich es ja, dass sie, obwohl sie mich ja extra eingeladen haben, dabei praktisch nur chinesisch sprechen. Recht lang haben sie durch die Fernseh-Programme gezappt, dann haben wir ein etwas albernes Gesellschaftsspiel gespielt. Ich bekam einen Anruf, dass es im Labor irgendwelche Probleme gibt, das war mir dann ein willkommener Grund, mich bald zu verabschieden. – Die Probleme waren zwar erst nicht so wild, dann sah es aber aus, als wäre unser Zellkultur-Medium in der Flasche kontaminiert, und wir begannen eine große Rettungsaktion bis etwa halb 11 Uhr in der Nacht und sind danach Abendessen gegangen. Inzwischen sieht es ja so aus, als ob die ganze Kontamination ein Fehlalarm war.

Am Sonntag war ich dann mit dem einen lästigen Studenten in der Stadt. Er hatte sich mal in die Deutschrunde gemischt, obwohl er kein Deutsch lernt. Da er da aber Ausländer treffen kann und mit ihnen englisch reden, ist er hingegangen. Das fand ich zwar dreist, aber immerhin zeigt er Initiative. Da hat er dann den ganzen Abend mit mir gesprochen und ist seitdem auch weiter lästig. Nun hatte ich ihm versprochen, dass wir uns noch einmal treffen, das habe ich auch gehalten. Wir sind zuerst essen gegangen in ein Gasthaus, das mich schon lange gereizt hat. Es ist so auf der Brücke über dem Fluß gebaut (wir waren aber zu Mittag drin). Das war dem Studenten etwas zu fein, er hat sich unwohl gefühlt. Hat mich nicht weiter gekümmert. Die Speisen habe ich ausgesucht, die Karte war zweisprachig . Die Kellnerin (war nicht zweisprachig) meinte, diese Kombination passt aber nicht, es sei zu viel Fleisch. Bei allem, was ich austauschen wollte, meinte sie aber, das wäre gut, und man solle es lassen. So blieben wir bei meiner Wahl. Es kamen dann ein paar sehr kleine Portionen, trotzdem sättigend, geschmackvoll, aber nicht wirklich umwerfend gut. Die Rechnung war (für chinesische Verhältnisse) schon eher umwerfend. Allerdings, 14 Euro für ein Mittagessen zwei Personen… Die Tischdiskussion war dann schon recht primitiv. Obwohl er eigentlich recht genau weiß, was ich mache, hat er mich gefragt, ob ich Wissenschaftler werden will. Da war ich schon schwer verblüfft und habe gesagt, ich bin Wissenschaftler. Er meinte, ja in anderen Ländern vielleicht, aber in China ist Wissenschaftler sein nicht so einfach. Da muß man schon etwas besonderes erforschen. Etwas später kam er auf Amerika und meinte, das wäre das reichste und mächtigste Land der Welt. Das stimmt zwar schon noch, bei der recht verbreiteten sozialen Armut, oder bei ihrem Versagen in New Orleans muß das Weltbild schon etwas zurecht rücken. Von allem hat er aber nichts gewusst, wollte wissen, woher ich das denn habe und hat mir natürlich nicht geglaubt. Es ging dann um Krieg und Frieden, niemand sollte einen Krieg anfangen, Amerika (UNO kennt er nicht) wacht über den Frieden. Daß immer die anderen am Krieg schuld sind, kommt ihm nicht in den Sinn. Von da kamen wir aber schnell zur leidigen Japan-Diskussion. Die Japaner sind auch jetzt noch alle Kriegsverbrecher, aggressiv, hassen die Chinesen, haben sich für ihre Gräueltaten in Nanjing nie entschuldigt… Die Rechnung, wie lange der Krieg her ist, wie alt die Beteiligten sind, haben Chinesen noch nie aufgestellt. Daß Koizumi sich schon mehrfach, zuletzt wieder im April diesen Jahres öffentlich entschuldigt und bedauert hat, wird strikt geleugnet, obwohl es auch hier auf der Titelseite der Zeitungen stand. (Ich habe ihm später Internet-Links geschickt). Eine Wiedergutmachung wurde allerdings nicht gezahlt. (Auf den Schrein kam er nicht zu sprechen, was mich verwundert hat.) Eine Überlegung, wie viel mehr Leute bei der Kulturrevolution oder im Kampf zwischen Kuomingtan und Kommunisten wird auch abgelehnt. Auf diese Diskussion, so lästig sie mir ist, bin ich inzwischen immerhin schon vorbereitet. Allerdings ist es ein Kampf gegen Windmühlen. Er hat noch gemeint, bei den heutigen Japanern sei auch Polygamie üblich, was für seine Kultur ja völlig undenkbar sei. Gerade in China waren aber die Konkubinen üblich, was in Japan verboten war.

Ob ich denn auch glaube, dass China als Weltmacht Amerika verdrängen wird. Da würde ich aber das soziale Gefälle, das es in China gibt zu sehr fürchten; wenn sich nichts Entscheidendes tut, kann es da schon einen großen Knall geben. – Würde Asien als Region zusammen arbeiten und nicht gegeneinander, dann könnten sie schnell alle anderen übertrumpfen.

Wir sind dann mehr ins Zentrum, in die Fußgängerzone gegangen. Dank GPS habe ich da ja zielstrebig hingefunden, während er meinte „Das soll die Fußgängerzone sein, das glaubt er nicht“, bis er irgendwo das Schild sah, dies wäre der östliche Teil der Fußgängerzone. Wir waren in einem großen Buchladen, da habe ich tatsächlich ein englischsprachiges Lehrbuch Kinderheilkunde gesehen. In China gibt es fast keine englischsprachigen Fachbücher, angeblich haben sie meist uralte Übersetzungen. Wie ich das Autorenverzeichnis überflogen habe, hat er auch hineingeschaut und gemeint, weil es englisch ist, kann er da nichts verstehen. Ob ich denn etwas davon verstehe?

Das Wetter war recht angenehm, manchmal schien sogar die Sonne. Wenn sie nicht schien, hat der Student gefragt, ob mir kalt wäre, frug er, ob mir auch heiß wäre.

In ein paar Läden haben wir hineingeschaut, es gibt da eigentlich nur Kleidung zu kaufen. Viel Sportkleidung, aber nichts zum Radeln. – Ziemlich schnell hat er mich gefragt, ob ich denn auch müde sei, er hätte jetzt genug und würde gerne zurück fahren. Zuvor hat er noch einiges erzählt, wie sportlich er doch sei. Ich habe mir überlegt, ob ich die Gelegenheit nutze ihn loszuwerden, habe dann aber gedacht, so leicht lasse ich ihn nicht davon kommen. Wie sind weiter von Laden zu Laden gegangen. Ich wollte mit ihm nichts einkaufen, er konnte nichts kaufen. Wie wir durch waren, habe ich ihn gefragt, ob er denn den Daci-Tempel kenne, der ganz in der Nähe ist. Natürlich hat er den nicht gekannt, er ist ja immer nur am neuen Campus, beklagt sich, dass es da langweilig ist und spielt nächtelang Computerspiele. Wir sind also zu dem Tempel gegangen, ich finde ihn immer sehr schön und eindrucksvoll (Das Photo ist noch vom Februar). Es ist einer der ältesten buddhistischen Tempel in China. Eine buddhistische Trauerfeier haben wir uns da noch ein bisschen angesehen (mir gefallen auch die buddhistischen Mönchsgesänge recht gut. Gregorianische Choräle, aber halt doch ganz anders – er mag sie nicht, Popmusik ist besser). Wir haben uns dann noch in ein Teehaus gesetzt. Ich habe ihm gesagt, ich finde, dass die Chinesen leider ihre Teekultur verloren haben. Das hat er nicht kapiert, wohl gar nicht gewusst, dass sie mal welche hatten.

Qintai LuEr hat gehofft, wir würden dann zurück gehen, ich schlug aber noch die Qintai Lu vor, eine historisch wieder aufgebaute Straße. Er hat davon noch nicht gehört, auch nicht geglaubt, dass ich sie finden würde. Da sie aber etwa 6km weg war, mussten wir ein Taxi nehmen. Natürlich findet nur der Taxifahrer, aber nicht ich den Weg dahin. Auch da haben wir ein paar Läden angeschaut, vor allem Teeläden, auch ein paar Boutiquen mit Seidentüchern oder Galerien mit Gemälden. – In einem Teeladen sah ich ein feines Teesieb, das ich für die Zellkultur schon länger suche. Schwierig war es, der Verkäuferin klar zu machen, dass ich das und sonst nichts will. Sie hat groß auch chinesisch erklärt, wofür das gut ist und was man sonst noch braucht. Das hat mich alles nicht interessiert. Den Preis hatte ich schon verstanden. Ich habe sogar auch chinesisch gesagt, dass ich eines kaufen will. Es hat lange nichts genützt, sie hat weitergeredet. Schließlich bekam ich es doch noch. – Vor allem wollte ich in diese Straße, weil ich mich dunkel erinnert habe, dass es da auch ein chinesisches Puppentheater gibt, das wollte ich noch mal kontrollieren und auch den Zeitplan sehen. Es ist aber kein Puppentheater, sondern nur so eine reine Touristen-Show, wie ich sie schon zwei- oder dreimal gesehen habe. Den Photos zu schließen, müssen auch die einzelnen Stücke darin in der ganzen Stadt stets die gleichen sein.

Wie wir durch die Straße durch waren, kurz vor dem Weg zum Bus, sagte ich, ich will vorher noch mal auf die Toilette. Der Student hielt es für ganz ausgeschlossen, dass ich hier (allein) eine Toilette finden kann. Es gibt da tatsächlich keine öffentliche, bei einem Biergarten (Teehaus) wusste ich aber, wo man hingehen muß, und da bin ich hin. – Der Student gab zu, dass die Straße schöner ist, als die Einkaufsstraße in der Fußgängerzone. Man sollte hier aber trotzdem nicht hin, hier ist alles zu teuer. Außer dem Teesieb haben wir nichts gekauft, und ansehen kostet ja nichts.

An der Uni hätte ich ihn ja gerne gleich zur Bushaltestelle zum neuen Campus gebracht, er hatte aber Hunger. Wir sind zu einem billigen Dumpling-Restaurant gegangen. Da hat er mich dann tatsächlich noch gefragt, ob ich finde, dass die Studienbedingungen in Deutschland oder in China besser wären. Er war ganz klar überzeugt, dass China besser sei. Sie haben so einen großen Campus, eine große Bibliothek (der neue Campus hat noch gar keine, in der am alten Campus war er noch nie) und so viele ausgezeichnete Professoren. Auch die Studenten sind alle sehr gut. Viele, obwohl sie im Semester nicht viel lernen, bekommen im Examen ausgezeichnete Noten. Mir war es zu dumm, da noch viel zu erwidern.

Obwohl ich mich den ganzen Tag redlich bemüht habe, ätzend zu ihm zu sein, fürchte ich, dass ich ihn noch lange nicht los bin. In meinem Institut habe ich solche Studenten zum Glück nicht. Wenn Frau Schwarz immer klagt, wie unmöglich, verzogen, eingebildet und dumm doch die chinesischen Studenten sind, fand ich das immer reichlich übertrieben. Der übertrifft aber alles.

Für ein chinesisches Puppentheater hat es nun leider hier nicht gereicht, obwohl ich es mir schon seit Mai oder Juni wünsche. Es gibt dafür sogar in Chengdu ein extra Schauspielhaus. Studenten konnten aber lange keine Telephonnummer finden, dann nahm niemand ab, oder es war ein Fax-Gerät an der Leitung, oder ein Band verwies auf das große Theater, wo man immer nur sagen konnte „nein, wir haben kein Puppentheater“. Wie eine Studentin nun endlich jemanden an die Leitung bekam, hieß es, sie sind in den nächsten beiden Monaten nur auf Tournee in Schulen, da sind auswärtige Besucher nicht möglich. In den letzten Monaten haben sie regelmäßig auf ihrer eigenen Bühne gespielt. Schade.

Diese Woche ist eine Medizingeräte-Messe in Chengdu, eine kleine Medica. Eintritt ist frei, man wird aber namentlich und mit Adresse registriert. – Ich und die Studenten mit mir als Begleiter durften/ mussten durch den VIP-Eingang und da beim englischsprachigen Personal die Registrierung machen.

Überwiegend gibt es chinesische Produkte, aber die großen internationalen Firmen sind natürlich auch da, und es gab sogar einen großen Bayern-Stand. Die Studentin, die mit mir war hat gleich erkannt, das Bild (Flagge) da ist das gleiche, was ich auch auf meinem Computer als Hintergrund habe. Die Stände waren aber meist chinesisch besetzt. Wahrscheinlich die Projekt- oder Vertriebspartner vor Ort. Ein paar offensichtlich westliche Leute waren auch auf den Ständen. Ich habe mir immer überlegt, ob ich jemanden mit „Grüß Gott“ anspreche, habe es mir aber verkniffen. Weiß-blaue Rautenaufkleber, was ich ja bei meiner neuen Stelle an der Bürotüre wieder brauche, gab es leider nicht.

Ein Elektro-Massagegerät, so ein Elektroschock-Gerät habe ich mir gekauft. Irgendeine Dame hat mir das unbedingt vorführen müssen, da auch recht sanft von schwach auf stärker gestellt und die verschiedenen Pulsarten eingestellt. Dann hat sie aber gemerkt, dass die Studentin zu mir gehört, der sie das ganze auf Chinesisch erklären kann. Da war ich nicht weiter interessant, sie hat in rascher Folge erklärt und gezeigt, was man alles verstellen kann, und ich bin immer gezappelt. – Etwa 13 Euros hat das Gerät gekostet. Bei uns sind sie viel teurer, haben aber mehr als nur zwei Elektroden.

Posted on: 4. November 2005Manfred Maitz