China 05.11. – 11.11.2005
Gestern kam ich erst sehr spät Englisch-Diskussionsgruppe heim, wir waren dieses Mal in einer Bar, für die letzte Englisch-Runde wollte ich es einmal gemütlicher machen. Bis zu meiner Abreise ist nun praktisch jeder Abend verplant. Für morgen (Freitag) Abend hat mich die Deutschlehrerin zum Essen eingeladen, in ein Gasthaus, nicht zu sich. Am Samstag bin ich bei Frau Schwarz auch zum Abendessen eingeladen, am Sonntag Abend will mich Huang Nan zum Essen ausführen, für Montag habe ich die Studenten, mit denen ich viel zusammen gearbeitet habe, oder die mir sonst geholfen haben zum Hotpot-Essen eingeladen. Am Dienstag bin ich noch von den Leitern der anderen Gruppe, mit der ich viel zusammen arbeite zum Essen eingeladen. Gerade für den Mittwochabend hat man mich noch nicht in Beschlag genommen.
Letztes Wochenende hat mich ja Wan, ein Kollege, der mich schon bei meinem allerersten Chengdu-Aufenthalt nach Jiuzhaigou begleitet hat, in seine Heimat begleitet. Er ist ganz auf dem Land aufgewachsen, seine Eltern waren Bauern. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, waren sie fünf oder sieben Kinder in der Familie. Was da beeindruckend ist, nur eine seiner Schwestern ist noch auf dem Bauernhof, alle anderen Geschwister sind irgendwie in der Stadt (Chengdu oder eine Kleinstadt), einige haben studiert. Sozialen Aufstieg gab es da in China also schon wirklich.
Wir sind recht zeitig in der Früh mit dem Bus losgefahren. Die Gegend, durch die wir kamen war schon wirklich ländlich. Am Ort war dann gerade Markt. Den haben wir uns aber nicht weiter angeschaut, sondern haben ein kleines Taxi genommen und sind zum Bauernhof seiner Schwester gefahren. Da wurden wir sehr freundlich empfangen, auch wenn es recht spartanisch war. Sie haben etwa im Mai ihr zweites Kind bekommen. Das ist für Bauern in dieser Gebirgsgegend erlaubt, wenn das erste Kind ein Mädchen war und zwischen den beiden Kindern mindestens vier Jahre Abstand liegen. Das zweite Kind ist nun ein Junge. Außer der älteren Tochter lebt noch ein Mädchen auf dem Hof. Wenn ich es richtig verstanden und gerechnet habe, ist sie eine Cousine meines Kollegen. Hunde-Mama und -Kind gibt es noch, vier Schweine, eine Ziegin und eine Hand voll Hühner. Die Schweine sind im Stall, die Ziege ist beim Eingang am Weg angebunden, Hühner laufen dagegen frei herum, beim Mittagessen liefen sie auch um den Esstisch und haben sich gefreut, wenn etwas herunterfiel. Einmal wollten sie sogar dem Hundekind einen Knochen wegnehmen, da sind dann aber die Federn geflogen.
Fließendes Wasser gibt es so nicht. Wasser, ich weiß nicht woher, wird in der Küche in einem Steinbecken gesammelt. Zum Händewaschen wird etwas in eine Schüssel getan, da kann man sich dann waschen. Sonst ist das Wasser nämlich auch Trinkwasser. Gekocht wird mit Kohlen oder noch mit Stroh. Im Wok ganz links ist das Saufutter, rechts wird für die Menschen gekocht.
Wir sind ein bisschen durch die Felder spazieren gegangen. Wan hat mir gezeigt, welche Felder sie früher hatten. Ich glaube sein Urgroßvater war ein Großgrundbesitzer. Auch seine Eltern hatten noch viel Land. Als Kind musste er immer mithelfen. Da war er der faulste von seinen Geschwistern und hat es vorgezogen, in der Schule fleißig zu lernen, damit er später nicht in der Landwirtschaft arbeiten muß. – Nun leben wesentlich weniger Leute auf dem Bauernhof, Arbeiter sind zwar nicht sehr teuer, aber doch zu teuer. So ist viel Land unbearbeitet. Sehr hügelig ist es dort auch, die meisten Felder sind so steil, dass eine Bearbeitung mit Maschinen unmöglich ist (hätten sie sowieso nicht), es ist alles Handarbeit. Ich habe mir überlegt, wie bei uns solche Hänge bewirtschaftet werden, wenn nicht gerade als Weinberg.
Recht viele Orangen und Mandarinen wachsen da und sind gerade reif. Wir haben viel gegessen und noch viel mehr mitbekommen. Obstbäume veredelt werden da übrigens auch.
Die beiden Kinder waren mit dabei, wie wir durch die Felder gegangen sind. Unsere Photo-Apparate haben es ihnen bald angetan, sie haben recht emsig geknipst. Die meisten zeigen schon recht ungewöhnliche Perspektiven, die aber zum Teil nicht schlecht sind.
Am Nachmittag haben wir uns von der Familie verabschiedet und sind zu einem anderen Bruder in eine Kleinstadt gefahren, außerdem lebt noch eine Schwester dort. Dieser Bruder ist Geschäftsmann, er ist zuständig für Medizingeräte, Klinikbedarf. Er kam da gerade von einem dienstlichen Aufenthalt in Shenzhen. Die Medica in Düsseldorf kennt er natürlich, war aber selbst noch nicht da. Sie haben eine große, moderne Wohnung in der Stadt, die (vom Fernsehplatz abgesehen) auch recht geschmackvoll eingerichtet ist. Auf dem Dach des Hauses hat sich die Mutter eine kleine Wohnung eingerichtet (der Vater ist vor ein paar Jahren gestorben). Da ist noch einiger Stil vom Bauernhof vorhanden, es gibt sogar einen Verschlag mit drei Hühnern. – Die Frau des Bruders hat da das Abendessen gekocht, bestimmt ein Dutzend Gerichte und alles ausgezeichnet. Außer uns waren schon noch mehr Esser da, die Schwester, die vor Ort ist und ein paar Kinder. – Zum chinesischen Neujahrsfest trifft sich meist die ganze Familie in dieser Wohnung.
Diese Schwester – wenn ich es richtig zuordne – hat Kunst studiert, ist dann aber in Chengdu in die freie Wirtschaft gegangen. Dabei hat sie sich verkalkuliert und einiges Geld verloren. Jetzt hat sie einen kleinen Laden für Kleidung in dieser Stadt. Es ist schon alles sehr billig dort: eine Jacke oder Pullover, in recht ordentlicher Qualität, kosten 1.50 bis 2 Euros.
Nach dem Abendessen sind wir noch ein bisschen in die Stadt gegangen, es war ein schöner lauer Abend. Auch da war Markt, vor allem Bekleidung, ein paar Lebensmittel, Süßigkeiten und einige Haushaltsartikel. Recht interessante chinesische Medizin, v.a. gegen Rheuma gab es da auch.
Vielleicht war ich der erste Ausländer in dieser Stadt. Eine Gruppe Straßenjungen ist uns jedenfalls nachgelaufen und wollten mir immer irgendetwas erzählen. Meistens ging das über ein „Hello“ und viel Gekicher aber nicht hinaus. Sie waren aber nett.
In einem Teehaus haben ein paar der Gruppe dann Karten gespielt. Es muß so was wie Poker sein, zumindest scheinen es die gleichen Karten zu sein. Ich hätte ja auch mitspielen dürfen, das ist für mich aber zu fremd. Ich habe den Chinesen dafür gezeigt, wie man Kartenhäuser baut, was sie noch nicht gekannt haben. Sie haben es dann auch geübt, es hat zumindest auch eine Zeit lang Spaß gemacht.
Wir haben beim Bruder in der Wohnung übernachtet. Es gab in Gästezimmer, und das Kinderzimmer wurde für mich geräumt. Das Kind hat bei seiner Tante geschlafen. Am nächsten Tag gab es erst ein recht chinesisches Frühstück, dann sind wir noch mal etwas in die Stadt, zum Tempel und zum Yangtse. Der Tempel war erst vor ein paar Jahren wieder aufgebaut. Das meiste darin war neu und nicht so sehr attraktiv. Die Tempelanlage insgesamt fand ich für den Ort schon recht groß.
Die Tochter hat uns dann noch ihre Schule gezeigt. Obwohl sie am Ort ist, ist es ein Internat. Das ist so Vorschrift. Die Klassen haben etwa 60 Schüler. China hat dabei überall ein System, dass in jedem Jahrgang die besten Schüler in einer Klasse zusammengefasst werden und die weniger guten in einer anderen Klasse. Die Klasse mit den guten Schülern bekommt natürlich auch den besseren Lehrer. Schon sehr früh geht das los, beim Kindergarten gibt es schon ein Abschlussexamen, das die nächste Eingruppierung bestimmt. In kleinen Schulen, die nicht so viele Klassen haben, werden zumindest in jeder Klasse die guten zusammen nach vorne gesetzt und die schlechten Schüler müssen hinten sitzen. – Das Ranking der Klassen wird am Eingangsbereich der Schule auch groß mir Punkten (Sternen) dargestellt.
Die Highlights chinesischer Technologie werden im Schulhof an einer Wand auch groß dargestellt.
Nach einem Mittagessen, Ziegen-Hotpot in einem Gasthaus, sind wir weiter gefahren Yangtse-aufwärts nach Jiancheng, der nächsten Kreisstadt. Wan ging da aufs Gymnasium, ein anderer Bruder ist an dem Gymnasium nun Lehrer. Die Schule und die Stadt sind schon deutlich eine Stufe besser als die Kleinstadt vorher. Ihr Motto ist aber schon etwas eigenartig. Wir haben aber nicht zuviel angesehen, sondern und vor allem an einem Yangtse-Ufer ausgeruht und Tee getrunken. Vor der Rückfahrt gab es noch ein großes Hotpot-Essen. Das war einer der besten Hotpots, die ich bisher hatte.
Diese Woche war ich mal mit Studenten zum Mittagessen im Wenshu-Tempel. Ich war ja schon zweimal allein und einmal mit dem Inder dort. Da gibt es das vegetarische Haus, von dem ich am Anfang nicht geglaubt habe, dass es wirklich vegetarisch ist. Nun waren wir da und haben gezielt das nachgemachte Fleisch gegessen. Manchmal war es lustig, manchmal eindrucksvoll, wie sie Fleisch in Geschmack und Struktur rein pflanzlich täuschend echt nachmachen können. Stückchen Hühnerfleisch zum Beispiel, oder die gebratene Gänsehaut, die in ein Gemüse gemischt war.
In Deutschland ist heute Faschings-Anfang, das gibt es hier nicht. Ich habe eben aber erfahren, dass der heutige 11.11. der Tag der Singles in China ist. Eigentlich eine gute Idee, die vielen Einsen so zu interpretieren. Allerdings ist dieser Brauch entweder sehr jung bzw. importiert, oder es ist nicht wirklich heute. Ihre traditionelle Fest-Tage haben die Chinesen immer noch nach ihrem Mondkalender. Sogar die Geburtstage werden in vielen Provinzen danach gefeiert.