China 07.10. – 13.10.2005

Die letzte Zeit ist wieder recht stressig im Labor, das macht aber auch Spaß, im Gegensatz zum Streß am Schreibtisch. Entweder haben die Studenten nun wirklich mehr Versuche oder konkretere Fragestellungen zu ihren Versuchen, oder sie merken jetzt erst wirklich, dass die Zeit, die sie auf mich zurückgreifen können bald zu Ende ist. Jedenfalls bin ich da nun recht ordentlich eingespannt. Vieles sind Langzeitversuche über eine oder mehrere Wochen, da gibt es dann auch an den Wochenenden etwas zu tun. Manches mache ich in der Form aber auch zum ersten Mal, da habe ich auch etwas davon. Letztes Wochenende war ich beide Tage im Labor.

Am Freitag war ich dagegen auf dem Kommunisten-Ausflug eingeladen. Wir waren dieses Mal im Süden Chengdus, wo viele Leute eine größere Gartenanlage haben (früher Reisfelder) und die nun als Gaststätte oder Teehaus wirtschaftlicher nutzen. Es ist wirklich eine sehr schöne Gegend. Dieses Mal ging es aber nicht gleich mit Mahjong-Spiel los, sondern es gab zuerst wirklich eine politische Diskussion. Über den wissenschaftlichen Stand des Instituts, der Lehre und was man verbessern sollte. Huang Nan hat mir übersetzt. Die ersten beiden Redner ließen sich darüber aus, wie schön doch dieser Ort und das Wetter ist, die besten Bedingungen für eine fruchtbare Diskussion und wir haben solche Zusammenkünfte leider zu selten. Ganz so ging es aber doch nicht weiter, sondern es hat sich jemand gemeldet und gesagt, wichtiger als diese Zusammenkünfte sei, dass man so miteinander spricht, diskutiert, gemeinsam plant und koordiniert (gemeinsame Strategien hat er glaube ich noch nicht gefordert).

Danach ging es um die Studentenausbildung, Vorlesungen und Seminare. Die Dozentin, die zuständig ist, das zu koordinieren hat stolz verkündet, sie hat nun das Konzept für die nächsten Jahre erstellt. Dabei hat sie ein Bündel Papier geschwenkt, die Inhalte wurden nicht vorgestellt oder diskutiert. Quantität geht vor Qualität – manchmal habe ich den Eindruck, das ist das Konzept. Es gab noch eine kurze Diskussion, ob man an einem neuen Lehrmodell, das von Peking herausgegeben ist teilnehmen soll, oder nicht. Keine Diskussion, ob man Studenten, die aus Materialwissenschaft oder Physik kommen und einen hier Abschluß für Biomaterialien oder biomedizinisches Engineering bekommen sollen, nicht vielleicht doch auch systematische Vorlesungen in Biologie oder Medizin (welche Form auch immer) anbieten sollte. Keine Diskussion, warum Studenten hier keine Fragen stellen, nicht selbständig, kritisch denken und Aussagen ihrer Lehrer nicht hinterfragen. Versagen hier nur die Lehrer, oder ist das ein Fehler vom System? Es wurde auch nicht angesprochen, dass die Studenten und Mitarbeiter von der Uni kein richtiges Internet gestellt bekommen (da meine ich noch nicht mal kein nicht-zensiertes). Das ist heute einfach Arbeitsmittel, und auf internationale Datenbanken und Firmen-Informationen muß man zugreifen können. Ein echter Internet-Anschluß für einen Rechner in der Uni kostet das Institut oder den Besitzer des Rechners 200 Yuan im Monat. Es wurde auch nicht erwähnt, dass Leute, sobald sie hier ihren Bccalaureus haben, also Doktoranden sind, nicht mehr ins Labor gehen sondern nur noch Lehrer (Professor) sind und sich von nicht eingearbeiteten Studenten die Versuchsergebnisse bringen lassen. Mit 22-23 Jahren sind die Wissenschaftler hier zum letzten Mal im Labor.

Dann hat Huang Nan sehr lange geredet, und ich hatte keinen Übersetzer mehr. Worüber er sprach, weiß ich nicht. Es haben noch ein paar andere geredet, einige neue Mitglieder haben sich vorgestellt und für die freundliche Aufnahme bedankt. Mitten in einer Rede hieß es, dass man nun Mittagessen kann. Da sind alle aufgestanden und aus dem Raum gestürmt. Das essen war wirklich sehr gut. Nach dem Mittagessen gab es dann das übliche Mahjong-Spiel, das ich immer noch nicht kapiere. Inzwischen halte ich es aber für konstruktiver als so eine Parteisitzung.

Wie wir für diesen KdF-Ausflug in das Blumenviertel von Chengdu fuhren, hatte ich noch leichte Hoffnung, wir würden die Blumenausstellung nun doch noch anschauen. Die Hoffnung hat aber getrogen. Am Samstag sagte mir dann der eine Student, was ich schon im Internet gelesen hatte, dass die Ausstellung am gestrigen Freitag zu Ende ging. Man könnte sie aber (inoffiziell) noch weiter besichtigen. Nun hatte ich an dem Tag einiges an Versuchsprogramm, am nächsten Tag noch mehr, und Montag erschien mir schon etwas spät. Nach dem Mittagessen war dann aber im Versuchsplan eine gute Stelle für eine Zäsur. Ich habe die Studentinnen gefragt, ob sie nicht mit mir die Ausstellung ansehen wollen. Keine der drei hatte Lust. Da haben dann die beiden Studenten, mit denen ich schon in Xi’an und Shanghai war herhalten müssen. Die waren zwar etwas überrascht über die kurzfristige Entscheidung, waren aber gleich dabei. Wir sind mit dem Taxi hingefahren, was nicht ganz billig, aber schnell war. Die Außenanlagen der Ausstellung kann man noch ganz offiziell ansehen, sogar zum gleichen Preis, zu dem man vorher Außenanlagen und Hallen besichtigen konnte, und der war schon auf internationales Publikum zugeschnitten.

Der Schwerpunkt waren einige internationale Gärten und Landschaften und vor allem die verschiedenen chinesischen Provinzen.Australia/Sydney at the flower exhibition Chengdu 2005 Nur selten gab es ein paar typische Gebäude, wie Tempel oder eine Windmühle für Holland. Ein Einzelgebäude nachgebaut, wie für Australien, war dann auch ein Einzelfall. Lustig war Australien ja insgesamt schon mit viel Wüste und den Apostelfelsen. Griechenland war auch sehr eindeutig zu erkennen – dachten wir. Laut Beschriftung sollte es aber etwas Chinesisches sein, was wir aber nicht glauben.

Schön war auch das Bergland mit Schnee und Panda-Bären oder der Bonsai-Garten.

Zu einer Statue haben mir die Studenten eine lustige Geschichte erzählt. Dem Mann auf dem Boot ist sein Schwert in den See gefallen. Damit er es wieder finden kann, hat er eine Kerbe in das Boot gemacht, wo das Schwert in das Wasser gefallen ist. Trotzdem hat es nichts genützt… Ich habe mir gedacht, diese Geschichte gibt es anscheinend überall auf der Welt und habe ihnen das entsprechende von Till Eulenspiegel erzählt.

Am Rückweg wollten wir sparsam den Bus nehmen. Die Studenten haben den Plan studiert und den Busfahrer noch gefragt, ob der Bus auch wirklich zu unserer Uni fährt. Der Busfahrer hat das versichert, und wir sind eingestiegen, obwohl sich die Studenten gewundert haben, dass gar keine Haltestelle auf dem Plan in der Nähe unserer Uni ist. Nach recht kurzer Fahrt waren wir auch da. Fernab von allem war eine Universität, und die heißt wohl ähnlich wie unsere, oder zumindest kürzt man sie ähnlich ab. Für den Rückweg haben wir dann doch wieder ein Taxi genommen. Wie wir dem Taxifahrer gesagt haben, wohin wir sollen, hat er auch erst dumm geschaut und gemeint, da stehen wir doch davor. Wir haben es ihm aber schon noch richtig erklären können und kamen gut heim. Der Rückweg ging aber noch einmal an der Blumenschau vorbei.

Diese Woche habe ich die eine Studentin, die mich in Nordchina eingeladen hat gefragt, was denn in der Umgebung von Chengdu noch sehenswert ist. Sei meinte, sie würde gerne Chongqing sehen, das soll sehr schön sein, war auch kurze Zeit chinesische Hauptstadt. Es liegt am Yangtze, und in der Nähe sind die drei Schluchten des Yangtze Flusses, die landschaftlich besonders schön sein müssen. Sie hat mir Bilder gezeigt. Da fahren wir nun hin morgen und bleiben über das Wochenende. In der Nähe wird auch der berühmt-berüchtigte größte Staudamm der Welt gebaut, und der Fluß schon aufgestaut. Ich freue mich schon auf diese Fahrt. Wir fahren mit dem Bus hin, wollen vielleicht einen Tag mit dem Schiff fahren, dann mit dem Bus zurück nach Chongqing und am Sonntag Abend oder Montag früh wieder heim.

Ansonsten läuft nun die Deutschrunde wieder, auch unsere Englisch-Diskussionsgruppe. Die Frau Schwarz, die ich in Peking am Flughafen im Juli verpasst habe, ist aber noch nicht wieder aufgetaucht. Allerdings haben schon Leute mit ihr telephoniert, sie kommt später, im Moment ist der Flug sehr teuer. – Noch wen habe ich in Peking nicht getroffen, und zwar auf dem Rückweg. Wie mich die Studentin in den Zug gesetzt hat und allein nach Peking fahren ließ, hat sie ihre Tante angerufen, dass die mich am Bahnhof abfängt. Es war nicht sicher, ob das klappt, oder nicht, ich habe niemanden mit einen Maitz-Schild gesehen, oder der sonst wie einen Wessi abfangen will. Da habe ich mir auch nichts weiter gedacht. Die Tante war aber schon da und hat über eine Stunde auf mich gewartet. Ein Schild mit meinem Namen hat sie auch gehabt. Nun kam es auf, daß sie Maitz auf Chinesisch geschrieben hat. Für sie war ganz klar, dass ich das lesen kann. Darüber musste ich öfter schmunzeln. Die Studentin sagte, sie hat sich noch kurz gewundert, warum sich ihre Tante den Namen nicht buchstabieren lässt. So ist aber alles klar.

Posted on: 13. October 2005Manfred Maitz