China 20.11. – 27.11.2008

Es ist schon wieder die erste Woche in Chengdu um. Mir gefällt es wieder sehr gut und ich fühle mich so wohl wie jedes Jahr. Die Arbeitsumgebung und Atmosphäre sind schon wirklich sehr angenehm.

Am Mittwoch letzte Woche bin ich gemütlich mit dem Zug nach Berlin gefahren und mit dem Bus zum Flughafen Tegel. Es ging alles glatt. Einchecken und der Flug nach Amsterdam mit KLM waren auch problemlos. In Amsterdam musste ich mich ein bißchen sputen, weil der Aufenthalt nur kurz war. Ich habe aber alles gut gefunden, Passkontrolle und Sicherheitscheck gingen schnell. Das Flugzeug wurde bei weitem nicht voll, ich hatte den Platz neben mir frei, was immer ganz angenehm ist. Das Speiseangebot von KLM war nicht so toll. Ich glaube, da sparen die Fluggesellschaften nun allgemein. Beeindruckt hat mich das Unterhaltungsangebot. Jeder hat einen eigenen Bildschirm und kann aus Dutzenden von Videos auswählen. Man kann die Videos z.B. beim Essen auch individuell stoppen. Viel habe ich mir aber nicht angeschaut sondern habe versucht, dass ich bald schlafen kann. Mein aufblasbares Hörnchen-Nackenkissen hatte ich vergessen, habe mir in Amsterdam am Flughafen noch schnell eines gekauft.

Der Flug ging wirklich non-stop nach Chengdu. Ich hatte ja gedacht, wir müssen vielleicht in Peking oder Shanghai die Einreise-Formalitäten erledigen. Das lief aber alles in Chengdu und ging auch recht flott. Am Flughafen haben mich die Leute vom Institut auch schon erwartet.

Auf dem Weg zur Uni haben sogar die Studenten sehr schnell das Gespräch auf die Wirtschaftskrise gebracht. Sie hatten ja auch in Aktien angelegt und jetzt 80-90% verloren. Studenten, die eine Stelle suchen müssen haben es derzeit natürlich extra schwer. Sonst merkt man in Chengdu aber noch nicht viel von der Krise. Anders als in Papas Börsenbrief gibt es hier keine geschlossenen Läden. Die Restaurants sind immer noch überfüllt. Autos gibt es sogar mehr als im letzten Jahr, doch fällt mir auf, dass die Spitzenklasse-Autos nun häufig chinesische Modelle sind, während sonst BMW ganz vorne war. Es gibt allerdings mehr Wanderarbeiter in Chengdu als sonst um diese Jahreszeit. Sie haben in Guangzhou, Shenzhen oder Shanghai keine Stele gefunden. – Bauruinen habe ich noch keine gesehen, war aber noch nicht so viel in der Stadt. Der eine von zwei Wohnblocks am Campus verzögert sich etwas, weil das Erdbeben den unteren Etagen zugesetzt hat.

Ich wurde am Donnerstag zuerst in einem etwas kleineren Hotel untergebracht. Es soll auch als Wohnheim für die ausländischen Gastwissenschaftler dienen. Man hat mir aber schon gesagt, dass ich in ein paar Tagen wieder in meine allererste Wohnung ziehen kann, wo ich 2002 zusammen mit Ian Brown gewohnt habe. Die Wohnung muß allerdings noch geputzt und ein bisschen hergerichtet werden. Ein paar Studenten haben emsig sauber gemacht. Am Sonntag Vormittag bin ich dann eingezogen und fühle mich wieder richtig wohl. Ich bin da doch mehr mein eigener Herr. Dafür verzichte ich auch gern auf die Heizung und auf das fließende warme Wasser.

Am Donnerstag Abend gab es erst noch ein großes gutes Abendessen mit den meisten Mitarbeitern des Instituts. Es gab da praktisch keinen Wechsel. Am Freitag war ich im Institut. Schon in der ersten Stunde hatte ich meinen Internet-Anschluß. Das schafft man in Deutschland nicht so schnell (dafür ist die Verbindung dann schneller). Ich habe das Gefühl, die Internet-Zensur ist ein bisschen gelockert. Wikipedia geht nun, was ich früher nie konnte. Ich konnte auch ganz problemlos Seiten über Tibet lesen. Mails an oder von der Adresse @freenet.de sind aber immer noch blockiert. Am Freitag Nachmittag kam dann noch ein lieber Kollege zu mir ins Büro, der am Tag vorher nicht da war. Er musste unterrichten. Wir sind dann zusammen mit seiner Frau Abendessen gegangen. Im Januar erwarten sie ihr Kind.

Nabelschnurblut-Banken gibt es in China inzwischen auch, Chengdu hat da eine recht große Niederlassung. Am Samstag Nachmittag gab es eine Informationsveranstaltung dazu. Sie haben mich gefragt, schon mehr gebeten, ob ich da mitkommen will. Das hat mich schon interessiert. Ich habe mich im Internet über die deutschen Nabelschnurbanken informiert. In China ist die Anfangsgebühr deutlich niedriger, dafür sind die jährlichen Raten fast doppelt so hoch. Man kann vorauszahlen und bekommt da etwas Rabatt, der ist aber wesentlich niedriger als eine Geldanlage auf der Bank. Dafür braucht man sich um steigende Lagerungskosten keine Sorgen zu machen. An ein paar Stellen im Vertrag musste man Entscheidungen treffen, da haben sie meine medizinisch-fachlichen Rat gesucht. Eine Führung durch das Gebäude gab es auch, die haben wir aber verpasst, weil wir Männer lieber in einem nahegelegenen Park lustwandelt sind. Der gehört zu einem Hotel, in dem hohe Politiker immer absteigen. Wir haben auch mehrere Autos mit Regierungs-Nummernschildern gesehen und wurden von einem militärischen Sperrgebiet weggeschickt. Schwimmbad und Tennishalle auf dem Gelände sind erst seit kurzem für die Öffentlichkeit zugänglich. – Am Abend waren wir alle drei noch in einem anderen Freizeitpark da in der Nähe und haben da auch Abend gegessen. Wir waren alle überrascht, wie gut es schmeckt.

Schon in Dresden hatte ich im Internet gefunden, dass es doch auch eine Ping An Bride Churchkatholische Kirche in Chengdu geben soll. Sie ist recht nahe bei der reformierten Kirche, aber in einem Straßenzug, wo ich tatsächlich noch nie war. Da musste ich also hin, das habe ich am Samstag Vormittag gemacht. Ich hatte ja eher etwas Kleines, Improvisiertes erwartet. Ping An Bridge churchDa war ich überrascht, dass es eine richtig große Kirche mit zwei Seitenschiffen und einem Querschiff war. Etwas Kitsch und Stilbruch haben sie an manchen Stellen ja schon. Sie soll auch Bischofssitz sein; im Internet stand es ein bisschen anders, Chongqing und Chengdu sollen einen Bischof gemeinsam haben. – Wie ich zu einem Seitenausgang hinaus ging war ich noch mehr überrascht. Ich war nicht gleich auf der Straße, sondern es gehört noch ein großes Gelände dazu, als wäre es einmal ein Kloster gewesen. Eine Kapelle gibt es auch, in der eifrig Rosenkranz gebetet wird. – Auf einem Schild steht, die Kirche wurde 1904 gebaut und ist auch für die katholisch-patriotische Gemeinde von Chengdu. Christus-FigurIch habe das auch nachgeschaut: die haben sich mit der chinesischen Regierung weitgehend arrangiert und gehen einige Kompromisse ein. Überwiegend sind sie von Rom anerkannt, doch soll es vor 1-2 Jahren Unstimmigkeiten gegeben haben, weil sie eigenmächtig zwei Bischöfe ernannt haben (die Rom im Gegenzug sofort exkommuniziert hat). – Da hat es mich dann gereizt, eine Heilige Messe zu besuchen. Weil ich am Sonntag noch vom Hotel in die Wohnung umziehen wollte und mit dem einen Kollegen auch schwimmen gehen wollte, habe ich die Frühmesse um ½ 8 Uhr besucht (es gibt noch eine um 10 Uhr und eine am Nachmittag; Werktags ist jeden Tag noch zeitiger Messe). Die Kirche war gut voll aber nicht gedrängt. Die Liturgie war die Sonntags-Liturgie, die wir kennen mit wenigen individuellen Besonderheiten. Die Ministranten haben die gleichen Kittel wie bei uns auch. Ein relativ junger Priester hat zelebriert, ein alter Priester war noch dabei. Vor und während der Messe war Beichtgelegenheit (die Musik war so laut, dass man bestimmt nichts hört). Patres haben die Beichte abnehmen können. Der Mann hat sich jedenfalls nur dafür eine Stola umgelegt und die danach wieder an den Nagel gehängt und sich normal in die Kirchenbank gesetzt. – Gedauert hat die Messe ein bisschen über eine Stunde, praktisch wie bei uns auch. In der Adventszeit will ich schon noch einmal hin. Tannenbäume werden sie wahrscheinlich nicht aufgestellt haben, aber vielleicht gibt es ja einen Adventskranz.

Ja, nach der Messe bin ich umgezogen und dann mit dem Kollegen ins Schwimmbad gefahren. Es ist ein kleines Hallenbad mit 25m Becken, nicht sehr viel Betrieb. Badesachen musste ich mir kaufen. Es gab da einige Chinesen, die sehr fleißig ihre Bahnen zogen. Ganz so fleißig waren wir nicht, sind aber schon auch viel geschwommen. So ungefähr zwei Stunden waren wir drin. Ich bin schneller und ausdauernder geschwommen als mein Kollege. Das war schon mehr Herausforderung als in Einbeck, wo ich vor allem mit den Kleinen Rutschbahn gerutscht bin. Ich glaube, mit Monikas 1000 m könnte ich zur Zeit nicht mithalten.

Am Sonntag war wunderschönes Wetter. Wir wollten in ein Teehaus (was ja eher wie ein Biergarten ist, nur dass man überwiegend Tee trinkt), da gab es aber keinen Platz. Nachdem der Kollege eine Dachterrasse hat, sind wir da hin. Das war auch schön. – Am Abend haben wir einen sehr guten Fisch-Hotpot gegessen. Der soll mehr Stil von Nord-West China sein.

Meine geliebten gegrillten Spieße habe ich inzwischen auch wieder gegessen. Ich habe da ja meinen Stammplatz. Wie ich hinging hat mich die Frau auch gleich erkannt und freudig gewinkt. Ich durfte wieder auf einem großen Stuhl sitzen und musste nicht die kleinen Hocker nehmen. Da ist mir aufgefallen, wie sehr die Preise für Lebensmittel angestiegen sind. Lange Zeit habe ich für meine Auswahl von 10 Spießen immer 6-6.50 Yuan gezahlt. Nun haben sie 9 Yuan gekostet. Nachdem die chinesische Währung immer noch ziemlich eng an den Dollar gekoppelt ist, ist er auch stark angestiegen. Der Spieß hat nun mehr als 1 Euro gekostet. – Mit Ian Brown war ich im letzten Jahr ja auch öfters da, es hat ihm auch sehr gut gefallen. Man kann auch draußen sitzen und Bier trinken, was wir zusammen eifrig gemacht haben. Er hat mir Grüße aufgetragen, und die habe ich sogar ausgerichtet. Ich glaube, man hat mich verstanden. Ein bisschen Unterhaltung ist ja jetzt schon möglich.

Eines meiner Lieblings-Restaurants, eines der gehobenen Klasse ist nicht mehr da. An der Stelle gibt es jetzt Kaninchen-Hotpot, was auch gut ist, aber doch ein anderes Niveau. Es tut mir ein bisschen leid.

Frau Schwarz habe ich auch besucht. Sie wohnt noch in der gleichen Wohnung, nur zum Chinesisch-Lernen muß sie wieder an eine andere Uni. Der Unterricht scheint da aber sehr gut zu sein, sie haben richtige Sprachlehrer Chinesisch für Ausländer. Wie immer hat sie viel geredet, ist mit vielen Sitten hier unzufrieden. Es war trotzdem nett, sie wieder zu treffen. Ich habe mich aber auch kurz nach Mitternacht verabschiedet, sie hätte mich noch länger gehalten.

Deutschrunde war gestern auch, da bin ich wieder hin. Es ist schon eindrucksvoll, wie gut die Chinesen hier Deutsch lernen. Die Lehrerin ist sehr engagiert und wohl auch sehr begabt. Jürgen, der Mann mit Rauschebart, der mich den Sommer auch in Dresden besucht hat war auch wieder da. Leider ist da nie so viel Zeit, in der wir uns unterhalten können. Wir sollen ja mit den Studenten reden.

Dieses Wochenende will mein Chef mit mir eine Bergtour machen. Ich weiß noch nicht wo, bin aber gespannt.

Arbeiten tue ich hier natürlich auch. Überwiegend sind es Schreibarbeiten, von meinem letzten Aufenthalt und ein bisschen auch für das Dresdner Institut. Ich komme recht gut voran. Zwei Seminar soll ich halten, eines für Anfänger-Studenten und eines für die Mitarbeiter. – Am 9. Dezember gibt es wieder eine Studenten-Feier von der Uni, zu der ich auch eingeladen bin. Irgendeine Vorstellung soll ich auch geben, singen oder tanzen oder turnen, ganz wie ich will…

So, das war’s von der Woche. Obwohl ich nicht viel von Campus weg kam, gab es doch schon viel zu berichten.

Posted on: 27. November 2008Manfred Maitz